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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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bescheidenen Abtei erinnern werdet.«
    Hedwig war sich nicht sicher, dass sie auch nur den Weg nach Friesack finden würde, geschweige denn ihr angestammtes Recht, doch das wollte sie dem Abt nicht eingestehen. » Das werde ich gewiss.«
    Der Abt ließ ein mageres schwarzes Pferd mit unansehnlichem Ramskopf vom Acker holen, wo es vor dem Pflug gearbeitet hatte, und zäumte es eigenhändig mit einem schäbigen Kopfstück und einem einfachen alten Sattel auf. » Ihr tut besser daran, wenn Ihr das Tier sparsam füttert, denn sonst wird es zu lebhaft. Lasst es zudem ruhig aussehen wie einen Klepper, damit es die Armen weniger in Versuchung führt.«
    Hedwig nickte einsichtig, obwohl sie schon wieder unsicher war. Wie sah ein Klepper aus, im Gegensatz zu einem Ross?
    Nun, vielleicht genügte es, wenn sie das Ross Klepper nannte und es nicht allzu sauber putzte.
    Einige Stunden, nachdem sie in die Richtung, die der Abt ihr wies, aus dem Kloster aufgebrochen war, nannte sie den hässlichen Rapphengst voller Überzeugung Klepper. Er schien ihr das trägste Wesen auf Erden zu sein, versuchte bei jedem Grashalm anzuhalten und hob kaum die Hufe, sodass er auf den Waldpfaden immer wieder über Wurzeln stolperte. Als sie sich für die Nacht lagerte, blieb er mit hängendem Kopf bei dem Baum stehen, an dem sie ihn angebunden hatte.
    Es war das erste Mal, dass sie eine ganze Nacht allein im Wald verbrachte, ohne ein Dach über dem Kopf zu haben, und sie legte ihr Lager mit Bedacht an. Der Dunkelheit und den meisten Gefahren der Wildnis war sie im Laufe der Jahre begegnet, und nicht immer war Richard an ihrer Seite gewesen. Sie fürchtete sich nicht, doch sie war vorsichtig. Nicht genug, um auf einem Baum zu schlafen, doch genug, um einen auszuwählen, auf den sie sich flüchten konnte, wenn Wölfe oder Wildschweine ihr zu nahe kamen. Stets einen Bogen schussbereit in Reichweite zu halten, war sie ohnehin gewöhnt. Seit sie eigene Bögen besaß, nahm sie jeden Abend von einem Bogen die Sehne ab, damit sich das Holz erholen konnte, und spannte dafür einen anderen auf. Am Morgen wechselte sie sie wieder aus. Ebenso hatte Richard es gemacht. Zur Sicherheit spannte sie an diesem Abend einen zweiten ihrer Bögen und hängte ihn mit ihrem Köcher und einigen Pfeilen in ihrem Fluchtbaum auf. Isolde verstand die vertrauten Gegenstände als Markierung ihres neuen Schlafplatzes und ließ sich auf einem Ast in der Nähe nieder.
    Die Mainacht war warm, und Hedwig fiel bald in einen leichten Schlaf, der nur vom Seufzen des an ihre Beine geschmiegten Hundes, dem Schnauben ihres Pferdes und den raschelnden Tritten harmloser Tiere gestört wurde.
    Erst als die Sonne bereits aufgegangen war und Hedwig eben den Klepper wieder bepackt hatte, hörte sie Laute, die sie beunruhigten. Seit sieben Jahren hatte sie nichts Ähnliches gehört. In weiter Ferne ertönten das Geklingel von Schellen und der Gesang eines Mannes.
    Eilig zog sie das widerwillige Pferd zurück auf den Pfad, der sie vom Kloster bis zur Straße nach Friesack führen sollte.
    Es stellte sich heraus, dass sie der Straße näher gewesen war, als sie geglaubt hatte. Bald konnte sie den breiten Weg sehen, verharrte jedoch in der Deckung hoher Sträucher, weil der Gesang und die Schellen rasch näher kamen und sie die unbekannten Menschen lieber vor sich als hinter sich wissen wollte. Neugierig spähte sie durch die Zweige.
    Ein farbenfroh gekleideter Mann und eine zierliche Frau auf Pferden führten jeder einen beladenen, mit Schellen behängten Maulesel als Lasttier mit sich. Der Mann sang auf Latein, das Hedwig nur in kleinen Fetzen verstand. Immer wieder brach er ab, sprach ein paar Worte mit der Frau und wiederholte dann einen Vers oder eine Strophe. Die beiden waren so beschäftigt mit sich, dass sie zu Hedwigs Erleichterung auf nichts anderes achteten als auf den Weg.
    Sie waren schon vorübergezogen, da schüttelte Hedwigs Pferd ihre Hand von seiner Nüster und wieherte den Fremden nach. Hedwig zuckte ebenso zusammen wie die beiden Leute auf dem Weg. Der Sänger hatte bereits ein langes Messer gezogen, bevor sie sich von ihrem Schreck erholt hatte. » Es ist schon gut, das bin nur ich«, rief sie schnell. Da ihr nun nichts anderes übrigblieb, beeilte sie sich, Bogen und Pfeil in die Hand zu nehmen und aus ihrem Versteck auf die Straße zu gelangen. » Dummer Klepper«, flüsterte sie dabei.
    Der Sänger und die Frau staunten sie mit offenen Mündern an, als sie ihnen mit Pferd und

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