"Die Bombe is' eh im Koffer"
mit ihrem Gepäck.
Ich ging zur Rolltreppe, um ihnen zu helfen. Sie hatten zwei Koffer und zwei kleine Köfferchen. Es waren Stoffkoffer, zum Bersten voll, und Rollen waren auch nicht dran. Die alte Dame fiel prompt beinahe hin, als sie versuchte, auch nur einen Teil des Gepäcks vorwärtszuwuchten. Es war eigentlich ein Wunder, dass sie es überhaupt bis zu uns geschafft hatten. Andererseits ist es aber immer wieder erstaunlich, was Menschen alles bewegen, sobald man es in einen Koffer stopft. Es heißt ja immer, dass Angst übermenschliche Kräfte verleihen kann, aber ich persönlich glaube, volle Koffer können das beinahe genauso gut.
Ich half ihnen zunächst mal, das Zeug zu unserem Tisch zu bringen. Dann fragten wir, von wo sie kämen und wo es denn hingehen sollte. Die Antwort kam in einer leisen Mischung aus neunzig Prozent afrikanischer Sprache und etwa zehn Prozent englischer Brocken. Aus den Brocken schlossen wir, dass die beiden ein tansanisches Häuptlingspaar waren, auf dem Weg in die USA . Sie wollten ihren Sohn besuchen, der in Amerika studierte. Nur sie beide, bedauerlicherweise, wie der Häuptling bedeutete, weil es zu Hause noch fünfzehn weitere Ehefrauen gab, die eigentlich auch gerne mitgeflogen wären. Aber den Transport von sechzehn Ehefrauen konnte sich der Häuptling nicht leisten. Also wuchteten wir die Koffer aufs Band und guckten auf unseren Monitor. Drei waren unverdächtig, im vierten war eine merkwürdige Form von Grillbesteck zu erkennen. Und etliche dunkle Gegenstände, in Blech gehüllt, vermutlich Alufolie, mit irgendwas Organischem drin. Also sahen wir mal rein.
Gerüche kann man ja nicht sehen. Aber wenn man sie sehen könnte, ich schwöre es, dann wäre in dem Moment, in dem wir den Reißverschluss öffneten, dichter, schweflig gelber Qualm aus der Tasche aufgestiegen. Es war unbeschreiblich, eine Variante von Verwesungsgeruch, irgendetwas, das das Mindesthaltbarkeitsdatum deutlich überschritten haben musste, dem Geruch nach zu urteilen etwa zu der Zeit, als der Häuptling noch Probleme mit Pickeln hatte. Ich warf vorsichtig einen Blick in den Koffer. Es war ein Wunder, dass meine Augen nicht tränten. Ich entdeckte dieses seltsame, aber ungefährliche Grillbesteck und mehrere große Pakete aus Alufolie. Ich musterte Methusalem und seine Frau, zählte zwei und zwei zusammen und war bereit, sie durchgehen zu lassen.
Aber ich hatte ja Regina bei mir.
Den Rookie.
Neulinge bei der Luftsicherheit gibt es üblicherweise in drei Varianten. Die erste ist das Kaliber » superlustige Knallerbse«– nach der Lehre nicht übernommen, nach Dienstschluss nie früh genug in der Diskothek, und der Flughafen ist ein großer Spielplatz, an dem sie rund um die Uhr die Superbrüllergags reißen, die sie von schwarzgebrannten Mario-Barth- CD s gelernt haben. Variante zwei kommt aus der Schulung und weiß schon alles, was letzten Endes meistens bedeutet, dass der Rookie nicht zugeben kann, dass er etwas nicht weiß und daher aus dümmstmöglichem Stolz Mist baut. Regina gehörte zur Variante drei, die zwar auch anstrengend ist, aber letztlich die brauchbarsten Luftassis hervorbringt: zunächst etwas ängstlich und verunsichert (was bedeutet, dass sie die Verantwortung spüren), dafür leicht zu handeln, weil neugierig, schnell lernend, zuverlässig. In dem Moment wäre mir aber eine der ersten beiden Varianten lieber gewesen.
» Müssen wir da nicht reinsehen?«, fragte Regina.
» Wir können da schon reinsehen, aber nötig ist es nicht.«
» Wieso nicht?«
» Schau dir die Leute an, das will ich gar nicht sehen, was da drin ist. Gefährlich ist es nicht.«
» Aber dann lerne ich doch nichts!«
» Willst du wirklich…?«
» Doch! Sicher. Und wenn ich eines Tages eine erfahrene Luftsicherheitsassistentin bin und jemand Neues an meiner Seite habe, muss ich das ja auch kennen!«
Irgendwo hatte sie ja Recht. Aber ich hätte es uns allen trotzdem gerne erspart.
Ich griff also seufzend in die Tasche und holte eines der Alupakete hervor. Es war weich. Nicht plastiksprengstoffweich. Mehr so wie etwas, was überhaupt nur noch von der Alufolie zusammengehalten wird. Ich bemühte mich, die Folie nicht zu beschädigen. Was immer da drin war, wollte ich gern möglichst luftdicht wieder einwickeln können.
» Was haben Sie denn da?«, fragte ich die beiden. » What’s this?«
» Fish«, sagte der alte Herr, und dazu strahlte er wie ein Sonnenaufgang.
Tansania grenzt an drei der größten Seen
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