"Die Bombe is' eh im Koffer"
ganz egal, wo er gerade war. Wenn man untertags die Kontrollstelle öffnete, dann holte man dort auch die Leute aus den Geschäften raus. Oder aus den Cafés. Das hatten die natürlich furchtbar gerne, besonders, wenn sie sich gerade dazu durchgerungen hatten, einen der sündhaft teuren Kaffees hinter der Sicherheitskontrollstelle zu bestellen. Und dann kam der Luftsicherheitsassistent und sagte:
» Bitte gehen Sie jetzt zum Gate und lassen Sie sich kontrollieren.«
» Aber ich hab doch grade eben…«
» Das tut mir wirklich leid, aber ich muss darauf bestehen…«
Sehr viele verbrühte Gaumen sind auf solche Situationen zurückzuführen, in denen Menschen sich teuren, heißen Kaffee in unverhältnismäßig kurzer Zeit in den Hals gießen. Da hat man dann den ganzen Tag noch was davon, zum Beispiel diese Brandblasen am Gaumen. Die Dankbarkeit der Passagiere ist genauso groß wie ihr Verständnis. Das trifft besonders auf solche Passagiere zu, die längst kontrolliert sind, aber eben ihren Flug verpasst haben.
Das Schlimme an der Räumung dieses Sicherheitsbereichs war, dass er so immens groß war. Ungefähr eine Stunde brauchte man dafür. Anschließend brachte man üblicherweise rund hundert schlecht gelaunte Menschen von einem solchen Fischzug anlässlich der Kontrollstelleneröffnung zurück. Am schlechtesten gelaunt waren immer die aus dem Red Carpet Club, der inzwischen geschlossenen Luxus-Lounge der United Airlines. Der befand sich an der Knickstelle zwischen B-Gang und C-Gang. Dort kamen die Leute nach ihren Acht-Stunden-Flügen an, setzten sich erschöpft hin und wurden von uns wieder rausgeschubst. Man stellte sie zusammen mit den anderen vor die Kontrollstellen, durchsuchte sie, und hinterher waren sie exakt genauso weit wie vorher.
Das alles sind die Gründe, weshalb man nach vier Stunden Hell’s Kitchen eigentlich nicht hierher wollte. Das Blöde war halt, dass diese beiden Stellen auch am häufigsten und intensivsten besetzt werden mussten. Aber manchmal ging es auch glimpflich ab, und man begann gleich am Morgen im B-C-Gang.
Und musste erst danach nach Hell’s Kitchen.
Oma unterwegs
Er war Ende fünfzig oder Anfang sechzig und zog ein Köfferchen hinter sich her. Er trug einen beigefarbenen Trenchcoat, Schuhe, die ihm in langen Jahren ans Herz und an die Füße gewachsen waren, und wenn ich fürs Fernsehen einen typischen Rentner hätte einkleiden müssen, wäre mir auch sonst kein Klischee eingefallen, das fehlte. Na ja, irgendeinen Dialekt hätte er vielleicht noch sprechen sollen.
» Tach ers’ ma’!«
Das hatten wir also auch erledigt.
» Guten Tag. Bitte legen Sie Ihre Jacke auf das Band. Den Gürtel und die Schuhe.«
» Wat? Ach so. Ja sischer, dat…«
» Bitte auch die Taschen leeren…«
» Moment, ham wa gleich…«
» Und den Trolley auch, bitte…«
» Hä?«
» Ihren Trolley. Bitte legen Sie den auch aufs Band.«
» Mein Trolli?«
» Na, der Koffer!«
» Ach, der Ziehkoffer? Keine Angst, der passt locker durch dat Türchen durch, dat seh ich ja von hier…«
» Der soll aber nicht durch das Türchen da. Der muss in das Kästchen hier.«
» Ach so. Ja denn…«
Es hätte uns auffallen können, wie liebevoll er den Koffer aufs Band legte, beinahe als wäre es sein Kind.
Aber man denkt sich gar nicht ständig was.
Manchmal schaut man auch nur mehr oder weniger stumpf vor sich hin und sieht den nicht vorhandenen Wolken nach.
» Sin Se ma’ vorsichtich damit, damit da nix entzweijeht da drinne, wa?«
» Aber selbstverständlich. Da können Sie ganz unbesorgt sein!«
Die Torsonde fand nichts bei ihm, also ließ ich ihn durch. Ein ganz normaler Rentner. Das einzig Ungewöhnliche an ihm war sein Gepäck. Judith, die am Monitor saß, sah etwas, was aussah wie ein Metallballon. Es konnte ein Pokal sein. Oder ein ungewöhnlicher Blecheimer. Oder eine Vase.
» Sagen Sie mal«, fragte sie über das Röntgengerät hinweg, » haben Sie eine Vase im Koffer?«
» Na klar! Ey, dat is uns Omma!«
» Wie meinen?«
» Dat is keene Vase. Dat is ’ne Urne. Dat is uns Omma da drinne!«
Und sicherheitshalber übersetzte er: » Unsere Großmutter!«
Es gibt wenige Fälle, die im Gesetz nicht vorgesehen sind. Der Gesetzgeber rechnet mit vielem bis fast allem. Im Betriebshandbuch finden sich zum Beispiel auch fünfsprachige Übersetzungen sehr wichtiger Sätze wie etwa » Nehmen Sie bitte einige von Ihren Sachen aus dem Koffer heraus!« oder » Der Schalter ist nicht
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