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"Die Bombe is' eh im Koffer"

"Die Bombe is' eh im Koffer"

Titel: "Die Bombe is' eh im Koffer" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Lucchesi
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Afrikas. Den Viktoriasee, den Tanganjikasee, den Nyassasee. Von welchem See die zwei kamen, weiß ich nicht, aber alle sind für ihren Fischreichtum bekannt, unseligerweise. Der studierende Sohn in den USA hatte offenbar jüngst einen Enkel für die beiden Herrschaften hervorgebracht, und dieser Enkel, so hatten Herr und Frau Häuptling beschlossen, sollte einen dieser berühmten Seefische zu sehen bekommen. Also hatten sie einen Fisch zerlegt und in Alufolie gewickelt. Ich rechnete rasch im Kopf zurück, wie lange diese Einwickeltätigkeit zurückliegen musste: Der Flug hatte vielleicht zwölf Stunden gedauert, allerdings war kaum anzunehmen, dass Herr und Frau Häuptling direkt neben dem Flughafen wohnten. Der Wolke nach, die uns umwaberte, war Häuptlingshausen entweder eine Woche vom Airport entfernt oder es war unterwegs verdammt gutes Wetter gewesen, etwa 55 °C im Schatten.
    Ich blickte zu Regina.
    » Reicht’s?«
    Sie nickte. Ihr Teint spielte leicht ins Grünliche. Vorher hatte sie mir besser gefallen.
    Ich faltete die Alufolie vorsichtig wieder über der Fischleiche zusammen. Dann wünschten wir den beiden einen guten Flug– und das ist das, was ich vorhin gemeint habe. Wenn ich Freunden die Geschichte erzähle, sehen die mich oft fassungslos an, weil ich Familie Häuptling den Fisch nicht abgenommen habe. Aber stinkender Fisch ist nicht meine Baustelle. Stinkender Fisch ist auch nicht sicherheitsgefährdend, es sei denn, sie vergiften den Piloten damit. Die US -Kontrolle später hat das vielleicht anders gesehen, aber die haben auch andere Vorschriften. Bei uns darf der Fisch durch. Bei Lebensmitteln sind wir großzügig.
    Riesige Schinken, große Brote, kein Problem. Und das machen die Leute auch. Man könnte meinen, es gäbe im Flugzeug nichts zu essen. Es wird ja immer geklagt, dass unsere Schulkinder das gute alte Pausenbrot gar nicht mehr kennen würden. Die Bemme, wie der Ostdeutsche sagt, oder die Stulle des Berliners. Beim Flugpassagier kann ich alle beruhigen: Der Flugpassagier ist mit der Stulle noch auf Du und Du. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal in meinem Bekanntenkreis jemanden gesehen habe, der sich ein Leberwurstbrot einpackt– aber sobald’s ans Fliegen geht, ist die Leberwurst ein Klassiker. Das hartgekochte Ei. Das Käsebrot. Wir sind im dritten Jahrtausend, im 21. Jahrhundert, aber was unsere Passagiere angeht, leben die kulinarisch noch in den fünfziger Jahren.
    Ich hab mich selber schon hundertmal gewundert, wenn ich mir angesehen habe, was meine Kollegen so essen. Man wird ja nicht reich, als Luftsicherheitsassistent, da könnte man viel Geld sparen, wenn man sich mal für die Mittagspause was von zu Hause mitnimmt– nein, Mittag für Mittag wird da ein Vermögen dem Herrn McDonald’s in den Hals gestopft. Aber ich möchte wetten: Sobald es ans Fliegen geht, schmieren die alle Brote wie ihre eigenen Großeltern. Vielleicht ist das auch so eine Art Folklore, die letzte funktionierende Tradition der Deutschen: Wer fliegt, schmiert. Mit dick Kalbsleberwurst, da kann der Johannes B. Kerner seine Putenwerbung noch hundert Jahre in die Gegend senden. Und natürlich das Salatblatt. Was Grünes muss immer dabei sein; wenn der Deutsche zwei Tage keinen Salat isst, wird er selber welk. Eine meiner gruseligsten Entdeckungen waren zwei Salatköpfe in einem Rucksack, am Transitgate, seit mindestens zwei Tagen unterwegs. Wenn man da mal unvorbereitet ohne Handschuhe reingreift, das ist ein Gefühl irgendwo zwischen lauwarmem Tierkadaver und Gurkensalat.
    Wie auch immer, verboten ist das nicht. Sie können auch ein Kilo Salz mitnehmen, uns ist das egal. Schwierig wird es nur bei Flüssigkeiten. Und der Begriff der Flüssigkeit ist dehnbar. Vom Kulturbeutel her weiß der Passagier ja: Cremes darf man nicht mitnehmen. Und so ist es auch bei den Lebensmitteln: Wenn’s zu cremig wird, ist Schluss mit hungrig. Die berechtigte Frage ist: Wer isst schon Cremes? Und die verblüffende Antwort im Flugverkehr lautet: Offenbar alle.
    Es geht dabei gar nicht um Tubennahrung. Ich wüsste auch nicht, wer die verkauft. Es geht um Senf. Um Mayonnaise. Um Tomatenketchup. Und das nicht in Portionspackungen. Der Flugpassagier transportiert Senf für Kompanien, Mayonnaise für Regimenter, Tomatenketchup für ganze Armeekorps. Vorzugsweise in die Türkei, nach Südeuropa und Skandinavien. Dort ist die Senfdiaspora, dort dürstet die Bevölkerung nach Mayonnaise, nehme ich an. An den Straßenrändern

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