"Die Bombe is' eh im Koffer"
übrigens nicht nur in der Luftsicherheitskontrolle. Da braucht man nur den Fernseher anschalten, freitagabends, im Ersten, wenn der neue deutsche Heimatfilm wieder Christine Neubauer ernährt: Das Beste, was dem Deutschen passieren kann, ist, wenn ihn im Hotel der Direktor persönlich begrüßt. Oder wenn in der Klinik der Chefarzt ans Bett kommt. In der » Schwarzwaldklinik« ist eine Sorge nur dann eine echte, wertvolle Sorge, wenn sie sich der Professor Brinkmann macht. Und hier findet sich auch das Erfolgsrezept vom » Traumschiff«.
Eigentlich denken die meisten beim » Traumschiff« eher an Sascha Hehn oder an die exotischen Landschaften, in denen das Schiff rumkurvt, aber das ist alles nur Lametta. Der tatsächliche Trumpf der Serie ist, dass hier der Deutsche jedes Mal sehen kann, wie sein großer Traum vom Hauptgewinn wahr wird: Der kleine bescheidene Fahrgast wird eingeladen zum Captain’s Dinner an der Seite von Heinz Weiss oder Siegfried Rauch. » Guckt mal, der Kapitän isst seine Bratkartoffeln mit mir, nicht mit den anderen«– das ist dann jedes Mal wie Weihnachten und erste Liebe und Bundesverdienstkreuz mit Stern auf einmal. Und deutlicher kann man den deutschen Wunsch nach einer optischen Unbedenklichkeitserklärung nicht mehr darstellen:
» Oooh, der Herr Kapitän isst mit mir zu Abend, denn ich sehe nicht aus wie ein Terrorist.«
Aber genau deshalb wundert es mich auch so, dass der Deutsche den Araber nicht besser versteht.
Denn der Araber ist genauso leicht in seiner Ehre verletzt wie der Deutsche, wenn auch aus anderen Gründen. Der Araber, der Türke, der ganze Vordere und Mittlere Orient fragt nie:
» Sehe ich aus wie ein Terrorist?«
Gott sei Dank. Manchmal wüsste man da auch wirklich nicht, was man sagen soll.
Diesen Menschen geht es um ihr Auftreten vor anderen Menschen. Aufgefallen ist mir das bei dem kleinen Palästinenser.
Der kam zu mir in die Kontrolle, so Ende zwanzig, Anfang dreißig, knapp über eins sechzig groß, ein hochtrainierter Kraftklops, den ich sonden sollte. Anfangs war er noch friedlich, die Tasche stellte er ganz normal auf die Rollen, er sah zu, wie sie im Durchleuchter verschwand, dann trat er durch die Torsonde. Und wenn ich ihn einfach weitergewinkt hätte, wäre auch noch alles in Ordnung gewesen, aber die Torsonde hat geklingelt. Also musste ich ihn von Hand untersuchen. Und da fuhr er so richtig schön aus der Haut.
» Ich brauche mich nicht befummeln lassen«, zeterte er in einem recht tadellosen Deutsch, » haben Sie keinerlei Ehrgefühl?«
Ich schaltete meine Stimme auf » begütigend« und sagte freundlich:
» Also, das hat doch nichts mit Ehre zu tun, sondern mit Sicherheit. Sie wollen ja auch nicht in die Luft gesprengt werden…«
» Sie arbeiten doch nur mit den Juden zusammen!«
Keine Ahnung, warum es mir ausgerechnet bei ihm auffiel. Seine Argumente waren so abstrus wie die der meisten Nervensägen. Vielleicht war es nur, weil mein Blick durch die Sonde auf seine Frau fiel. Irgendwie war mir schlagartig klar: Das Problem ist weder meine Person noch das mangelnde Ehrgefühl. Er fühlte sich herabgesetzt. Und zwar durch die Situation.
An der Haltung und an dem Blick der Frau konnte man sehen, dass er in der Beziehung ganz deutlich das Sagen hatte. Er hatte es vor der Kontrolle, und er würde es nach der Kontrolle haben. Aber in diesem Moment, in dem ich ihn untersuchte, hatte er es nicht.
Genau das fürchtete er– und da haben wir den Unterschied zum deutschen Fluggast: Hier hilft es nicht, wenn der Einsatzleiter kommt. Der Mann fühlte sich bloßgestellt, und es war ihm völlig schnurz, wer ihn gerade bloßstellte.
Die Lage ist ja durchaus nachvollziehbar. Wer nicht zu den richtigen Vielfliegern gehört, fühlt sich vermutlich in dem Moment, in dem er durch die Torsonde geht, ebenfalls, als hätte er einen klitzekleinen Auftritt. Man kann kaum anders, und man ist deswegen auch nicht egozentrisch: Mindestens einer sieht ja tatsächlich zu– ich oder wer immer gerade der sondende Kollege ist. Und damit einher geht dann natürlich der Gedanke: Wie steht man jetzt da? In dieser Situation fühlt sich der Palästinenser, als zöge ich ihm die Hosen herunter, und alle gucken zu.
Ist Quatsch, sicher, kein Mensch guckt in dem Moment hin. Niemand macht sich darüber Gedanken, was es wohl für die gesellschaftliche Position des kleinen Palästinensers bedeutet, wenn ihn ein Luftsicherheitsassistent mit der Sonde absucht, es geht allen– auf
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