Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)
war von den Borgia durchaus gewollt: Sie setzten immer konsequenter auf das Image des Schreckens. Mit der Einnahme Faenzas durfte die Eroberung der Provinz als abgeschlossen gelten. Per aspera ad astra , nach Mühe und Arbeit der verdiente Lohn: Nach diesem Motto verlieh Alexander VI. seinem Sohn den Titel eines Herzogs der Romagna. Das erbliche Fürstentum der Borgia war erreicht.
Mit der Eroberung der Romagna sollte es nicht sein Bewenden haben. Cesare hatte sein Heer und sein Glück, und Alexander VI. erfreute sich weiterhin der besten Gesundheit. So war es erlaubt, große Pläne zu schmieden. An den politischen Stammtischen Italiens schmiedete man kräftig mit. Zwei Jahre lang lautete die heiß diskutierte Frage: Welche Eroberung folgt als nächste? An lohnenden Objekten fehlte es nicht. Bologna, die reiche Universitätsstadt, bot sich aus geostrategischen Gründen an: als ideale territoriale Abrundung nach Süden und als Brückenkopf in die Toskana, wo die Florentiner Kaufleute und Handwerker allmählich um ihre eigene Sicherheit zu bangen begannen. Doch auch die Republik Siena war ohne Frage einen Feldzug wert. Am akutesten bedroht fühlen musste sich der kranke Guidobaldo da Montefeltro in seinem Herzogtum Urbino. Dieser kinderlose Herrscher hatte einen Nepoten von Papst Sixtus IV. adoptiert. Unter diesen Umständen musste die Eroberung des kleinen, aber feinen Gebirgsstädtchens ein Kinderspiel werden.
Was auf den kunstsinnigen Herzog von Montefeltro und seinen Musenhof zukam, ließ eine politische Demarche Alexanders VI. schon im Vorjahr erahnen: Er bat Venedig dringend, von jeglicher Unterstützung Montefeltros Abstand zu nehmen. Erfahrungsgemäß war das der erste Schritt der Borgia-Strategie. Zuerst wurde das Zielobjekt isoliert, dann diskreditiert und am Ende liquidiert. Doch zunächst gab sich Cesare mit einer kleineren Beute zufrieden. In seinem Auftrag überrannte sein «Unterfeldherr» Vitellozzo Vitelli das kleine Fürstentum Piombino in der Südtoskana, das der Familie D’Appiano gehörte, sowie die dazugehörige Insel Elba. Dieser Coup hatte mehr symbolische als reale politische Bedeutung: Wie Caterina Sforza-Riario hatte sich auch Jacopo d’Appiano unter den Schutz der Republik Florenz gestellt. Und wie die streitbare Fürstin musste auch er erleben, dass diese Zusagen in der Stunde der Not nicht das Papier wert waren, auf dem sie standen. Schlimmer noch: Das stolze Florenz demütigte sich so tief, dass es dem Sohn des Papstes üppige Zahlungen zusicherte, wenn er das Gebiet der Republik verschonte.
1501 war für die Borgia nicht nur das Jahr der Eroberungen, sondern auch der Weichenstellungen. Isolieren, delegitimieren, liquidieren – das galt jetzt auch für das Königreich Neapel. Dort hatte die alte Dynastie für Alexander VI. endgültig ausgedient, wie schon die Ermordung Alfonsos von Aragón deutlich gemacht hatte. Was mit dem päpstlichen Lehen geschehen sollte, darüber fanden im Winter 1500/01 intensive Drei-Mächte-Gespräche statt. Am Ende gaben die Interessen der Großmächte Frankreich und Spanien den Ausschlag. Der von ihnen anvisierten Teilung des Königreichs in zwei von ihnen kontrollierte Einflusszonen erteilte Alexander VI. im Juni 1501 seine allerhöchste Zustimmung. Auf den ersten Blick war Ludwig XII. der Gewinner in diesem Gebietsschacher: Er sicherte sich die Hauptstadt Neapel mit ihrem Umland und damit die strategische Schlüsselposition. Von dort aus – so sein Kalkül – würden sich die Spanier aus den entlegeneren Provinzen mühelos verdrängen lassen. Auch Alexander VI. hegte bei dieser Aufteilung Hintergedanken. Süditalien würde dank seiner Vermittlung zum Zankapfel der Großen werden. Warum sollten die Borgia nicht als lachende Dritte davon profitieren?
Inzwischen war es höchste Zeit, mit einem weiteren brachliegenden Pfund zu wuchern: Lucrezia Borgia war seit einem Jahr Witwe, ihre Wiederverheiratung gewann damit hohe politische Priorität. Im Sommer 1501 streckte Alexander VI. erste diplomatische Fühler aus, um eine wahrhaft glanzvolle Partie für seine Lieblingstochter unter Dach und Fach zu bringen: Der Bräutigam in spe war Alfonso d’Este, der älteste Sohn und potentielle Nachfolger des Herzogs von Ferrara und Modena. Ferrara war ein Lehen der Kirche. Damit hatte Alexander VI. einen Hebel, mit dem sich Druck ausüben ließ: Entweder heiratest du meine Tochter, oder du wirst abgesetzt. Dieser Gefahr waren sich die Este wohl bewusst,
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