Die Boten des Todes
bewegte sich nicht. Stasi
nahm behutsam die Flinte von seinem Schoß. Er drehte sie um und roch an der
Mündung. Es roch sengend und harzig nach verbranntem Schwarzpulver. Stasi
drehte sich langsam um. Er sah den Einschlag der Kugel sofort. Drüben an der
Wand, neben der Tür, durch die er gekommen war, dicht unter einem gekrümmten
Dolch mit Flammenklinge.
»Was ist passiert?« fragte er.
Als Stasi aus der Haustür kam, saß Frau
Ada auf dem Koffer, wie er sie verlassen hatte. Er ging zu ihr. Seine Schritte
waren sicher und sein Atem ging wieder langsam. Er faßte sie zart an der
Schulter. »Es ist nichts, gnädige Frau«, sagte er mit rauher Stimme. »Sie
brauchen sich keine Sorgen zu machen. Herr van Noringen hat eine Flinte
reinigen wollen. Er glaubte, sie wäre nicht geladen. Sie war es doch. Sie ist
losgegangen, aber die Kugel hat ihn nicht getroffen.«
Ada hob den Kopf. Die Tränen hatten
schwärzliche Linien gezogen.
»Darf ich Sie hinauf bringen?«
Sie nickte. Stasi nahm ihren Arm.
Langsam gingen sie zur Tür und durch das stille Haus.
Herr Adrian saß immer noch in dem
Lehnstuhl. Er erhob sich, als er seine Frau an der Tür sah, schwankte etwas und
hielt sich an der Lehne fest. »Entschuldige, mein Kind...«
Frau Ada lief auf ihn zu, krallte sich
an seine Brust. Herr Adrian sank in den Stuhl zurück. Stasi blieb stehen und
blickte zu Boden. »Du bist erschrocken, mein Liebling«, sagte Herr van
Noringen. »Unser Herr Stasi hat es mir erzählt. Es tut mir so leid...«
»Das ist doch ganz unwichtig, Adrian!
Dir ist nichts geschehen? Wirklich nichts?«
»Nein. Ich habe die Mündung von mir weg
gehalten... Ich weiß nicht, was in das Teufelsding gefahren ist... Ich habe es
gestern in der Hand gehabt, ich schwöre dir, es war nicht geladen, ich wollte
es reinigen heute...«
»Mußt du denn mit diesem Zeug spielen?«
»Aber es sind die harmlosesten Dinger
der Welt!«
»Das habe ich gehört!« sagte Frau Ada
heftig. Herr Adrian war zerknirscht.
»Irgend jemand muß die Flinte geladen
haben«, sagte er leise. »Glaub mir doch, Ada. Ich habe sie gestern abgedrückt,
mehrmals. Sie war nicht geladen.«
»Ja, aber... wer sollte denn...?«
Herr van Noringen sah seine Frau an.
Seine Augen waren traurig und verzweifelt. »Wer sollte denn, Ada. Wer. Das
weißt du doch. Derjenige, der uns nicht froh werden lassen will in diesem
Haus.«
Frau Ada schwieg. Die Tränen stiegen
ihr wieder in die Kehle. Von der Tür kam ein Räuspern. Herr Adrian blickte an
Adas Kopf vorbei. »Ja, mein Freund?«
»Würden Sie erlauben, gnädiger Herr,
daß ich mir die anderen Gewehre einmal ansehe?«
»Verstehen Sie etwas von alten Waffen?«
»Ein bißchen. Mein Vater hat eine
kleine Sammlung.«
»Bitte sehr. Aber seien Sie nicht so
unvorsichtig wie ich!«
Stasi nahm mit ruhigen Bewegungen die
Waffen von der Wand. Bei der ersten war das Schloß entfernt. Unmöglich, sie
abzufeuern. Die zweite schien aus dem sechzehnten Jahrhundert zu stammen. Sie
hatte ein Luntenschloß. Es war keine Lunte vorhanden und keine Spur einer
Ladung. Die dritte war eine ältere, doppelläufige Schrotflinte mit schön
geschwungenem Schaft und Silbereinlagen an den Beschlägen. Die Hähne waren
nicht gespannt. Stasi schob den Hebel über dem Kolbenhals nach rechts. Die
Läufe knickten nach unten. Stasi blieb einen Augenblick still. Er drehte sich
langsam um und fragte: »Waren diese Waffen auch nicht geladen, Herr van
Noringen?«
»Auch nicht«, erwiderte Herr Adrian
müde. »Ich habe sie sämtlich nachgesehen. Keine war geladen.«
Stasi drehte das Gewehr um. Die beiden
dicken, stumpfen Schrotpatronen fielen in seine Hand. Er nahm eine zwischen
Daumen und Zeigefinger und hielt sie hoch.
Niemand sagte etwas.
Das Mädchen war blond und unverschämt
hübsch.
Zu hübsch fast für eine Kammerzofe.
Stasi kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Er stand fast an der
gleichen Stelle, an der vor drei Tagen Frau Ada gestanden und auf ihn gewartet
hatte. Das Mädchen stieg unter den ersten Reisenden aus, als der Zug
eingelaufen war. Sie trug eine Tasche und einen großen Koffer, der
offensichtlich nicht leicht war. Sie blickte suchend und etwas verwirrt um
sich.
Stasi stieß sich von dem Pfeiler ab, an
dem er gelehnt hatte und ging ihr entgegen. Im Näherkommen empfand er noch mehr
Vergnügen. Sie hatte hinreißende Beine und einen Gang wie eine Tänzerin. Eine
erfreuliche Abwechslung würde guttun in dem verwünschten Haus.
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