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Die Boten des Todes

Die Boten des Todes

Titel: Die Boten des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Hoffentlich lief
sie nicht gleich wieder davon, wenn sie hörte, was sich dort abzuspielen
pflegte.
    Das Mädchen setzte den Koffer nieder
und schüttelte ihren rechten Arm. Sie erblickte Herrn La Verne, der sich in
tadelloser Haltung näherte, und ließ Hochmut in ihr Gesicht strömen. Irgendein
lächerlicher Idiot, der sich anbiedern wollte.
    »Verzeihung«, sagte Stasi, »kann ich...«
    »Sie können mir auf Ihrem Rückzug einen
Gepäckträger besorgen«, sagte die Dame.
    »Das wollte ich eigentlich nicht«,
antwortete Stasi betroffen, »ich wollte erfahren, ob ich vielleicht die Ehre
mit Fräulein Natholm habe.«
    »Ach? Kommen Sie von Sasso quadrato?«
    »Direkt. Wenn Sie erlauben — Anastasius
La Verne.«
    »Anastasius«, wiederholte sie.
    »Jawohl. Stasi.«
    »Ich bin Corry Natholm«, sagte sie.
»Seien Sie nicht böse — ich hatte einen Chauffeur erwartet.«
    »Die Livree ist noch beim Schneider.«
    Sie gab ihm die Hand und lächelte.
»Lassen Sie sie dort.«
    Stasi sah in ihre Augen und bemerkte
ein leises Ziehen in der Magengrube. »Frau van Noringen hat mich geschickt. Sie
hätte Sie gern selbst abgeholt...«
    Das Mädchen schien eine Spur betroffen.
»Ist sie nicht da?«
    »Doch, doch. Die Herrschaften haben in
Ascona etwas zu erledigen. Erlauben Sie?« Stasi ergriff den Koffer des
Mädchens. »Oh! Was haben Sie da drin? Geschirrspülmaschine?«
    »Atomreaktor.«
    »Ach, darum«, murmelte Stasi.
»Gestatten Sie, daß ich vorausgehe.«
    Das Mädchen lief fröhlich neben ihm
her. »Sind Sie schon lange bei den Noringens?«
    »Drei Tage. Und noch nicht gekündigt.«
    »Wie ist es denn?«
    »Ach, sehr reizend.«
    »Hoffentlich nicht so langweilig wie
meine letzte Stellung.«
    Stasi setzte den Koffer ab und
wechselte die Hände. Er sah das Mädchen von der Seite an und wußte, daß er in
Sasso quadrato bleiben würde, solange sie dort war. »Es ist alles mögliche«,
sagte er, »nur nicht langweilig. Und ich hoffe, Sie fangen nicht eines Tages
an, sich nach Langeweile zu sehnen.«
    »Wieso?« fragte sie ernsthaft.
»Gespenster?«
    »So was Ähnliches. Ich erzähle es Ihnen
nachher. Der Koffer hemmt meinen Gedankengang ein bißchen.«
    Sie erreichten den kleinen Wagen. Stasi
hob den Koffer auf den Rücksitz und zog die Handfläche von unten nach oben über
die Stirn. »Bin gespannt, ob die Hinterachse das aushält«, sagte er. »Bitte,
Corry... wenn ich das sagen darf.«
    »Ja. Ich sage Stasi dafür.«
    »Alles. Bloß nicht Anastasius.«
    Während der Fahrt erfuhr er, daß sie
eigentlich Corinna hieß. Sie war Deutsche, dreiundzwanzig Jahre alt, bei einer
Tante als Haustochter gewesen, dann bei einer faltigen Baronin in ähnlicher
Stellung. Die Baronin war eine Bekannte von Frau Ada und hatte Corry Frau Ada
auf deren Bitte überlassen, damit das Kind einmal in der Welt herumkäme. Als
sie die Garage von Sasso quadrato erreichten, wußte Corry auch das Wesentliche
über den netten jungen Mann, der sie abgeholt hatte.
    »Hier steht sonst noch der Bentley«,
erläuterte Stasi. »Mit dem sind sie in der Stadt. Und jetzt her mit dir,
Ungetüm von einem Koffer!«
    »Ich helfe mit«, sagte Corry.
»Scheußlich. Hätte nie gedacht, daß Kleider so viel wiegen können.«
    »Wahrscheinlich stecken die Preise noch
dran. Beachten Sie die Botanik zu beiden Seiten des Weges. Gleich wird das
Herrenhaus in Sicht kommen.«
    »Sie wollten mir doch erzählen, was
dort los ist«, sagte Corry voller Neugier.
    Stasi schaute vor sich auf den Sandweg
hinunter. »Ja, verehrte, schöne Mitarbeiterin... Herr van Noringen wird Ihnen
sowieso einen längeren Vortrag halten... und Madame natürlich auch. Deswegen
bitte ich Sie, nachher so zu tun, als wüßten Sie von nichts.«
    »Ach, ist das Haus hübsch!« rief Corry.
»Und die niedliche Uhr! Was steht da dran?«
    »Mors certa, hora incerta. Latein. Der
Tod ist sicher, die Stande ungewiß.«
    »Wie schrecklich!«
    »Nicht so schlimm. Könnte auch heißen:
Todsicher geht die Uhr verkehrt.«
    Corry lachte fröhlich. »Ich glaube,
hier wird es mir gefallen. Was ist das für ein Zettel?«
    »Zettel?«
    »Ja! Da an der Haustür.«
    Stasi ging langsam weiter. Er vergaß
die Hände zu wechseln.
    »Was ist, Stasi?« fragte Corry.
    »Moment«, sagte er. Sie erreichten die
Tür. Der Zettel hing mit einer einzigen Heftzwecke an dem hölzernen Rahmen.
Stasi ließ den Koffer los. Ihre Köpfe waren dicht beieinander, als sie die
Schrift lasen. Es waren grobe, unbeholfene Buchstaben:
    Willkommen
in

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