Die Boten des Todes
wie
einen korrekten Schriftsatz. Jeden Paragraphen beachtet. Zum allergnädigsten
Wohle, Signorina!«
Corry trank aus. Sie hustete etwas.
»Ist er vergiftet?«
»Hör endlich auf! Mir ist nicht zum
Lachen.«
»Mir auch nicht sehr. Ich tue immer nur
so, als wäre mir. Das weißt du doch.«
»Gib mir noch einen!«
»Wohl gesprochen. Ich glaube, der alte
Cigaglia würde auch einen nehmen, wenn er könnte.« Sie sah zu, wie er eingoß,
aber ihr Blick war weit weg. »Was sinnest du?«
»Ich denke an Cigaglia. Wenn das alles
so ist, wie der Hauptmann gesagt hat... warum hat er sie heute umgebracht?
Warum hat er nicht gewartet? Bei den anderen war er so vorsichtig... nie hat er
sich verdächtig gemacht... und heute, wo es so auffallen mußte... das verstehe
ich nicht...«
Stasi betrachtete sie mit unbestimmtem
Blick. »Na ja«, sagte er langsam, »es gibt manches, was einem dazwischenkommen
kann bei so einer Inszenierung. Wenn zwei zusammenarbeiten, gibt es leicht
Differenzen. Vielleicht hat sie ihn unter Dampf gesetzt — sie wußte alles — ,
ein bißchen erpreßt. Mich wundert sowieso, daß er das Haus so geschwind
hergegeben hat. Die Ausrede mit den Morden ist lachhaft. Er mußte doch wissen,
woran der Spuk lag! Und außerdem... eilig hat er es immer gehabt. Er hat in der
ersten Nacht angefangen...«
»Wie?«
Er nahm einen kleinen Schluck und
drehte das Glas in der Hand. »Wie. Du stellst die einfachsten Fragen. Wenn
Stalacarro das herausfindet, verdient er eine Medaille. Er und sie müssen
laufend hier herumgegeistert sein, ohne daß jemand einen Zipfel von ihnen
gesehen hat. Ich kann die Idee nicht loswerden, daß es doch so was wie einen
geheimen Zugang zu diesem friedlichen Haus gibt... aber davon abgesehen... es
ging alles sehr schnell für diese Gegend. In Chikago wäre es was anderes.
Innerhalb von vier Wochen hat er vier Leute umgebracht. Als müßte er sein Soll
pünktlich erfüllen. Er hätte sich auch da mehr Zeit lassen können... nicht nur
bei unserer letzten Herrschaft. Komisch.«
»Ja«, sagte Corry. »Das ist komisch.«
»Es wird einen einfachen Grund haben,
mein Kind. Das Geld. Geld hat die Eigentümlichkeit, weniger zu werden. Manchmal
wird es mehr, aber im allgemeinen weniger. Und wenn der gute Doktor das Risiko
überhaupt auf sich nahm, dann natürlich mit der größtmöglichen Verdienstspanne...
ich kann’s ihm nachfühlen.«
Corry schüttelte sich und trank.
»Wie ist dir?«
»Besser.«
»Fein. Da ich in meiner Eigenschaft als
Hausverwalter auch diese Flaschen verwalte, ist unser Tun nicht einmal
Mundraub.«
Corry erschrak, als es läutete.
»Stalacarros Hilfstruppen«, sagte er.
»Alle Kameras auf Irmela!«
»Die Arme«, flüsterte Corry.
»Arm war sie nur, als sie sich mit
Cigaglia einließ«, sagte Stasi. »Aber dann folgte der Reichtum auf dem Fuße.
Und wenn man bedenkt, daß sie ein paar Leute umgebracht hat...«
»Sie tut mir trotzdem leid. Vielleicht
hat sie es gar nicht getan...«
»Unwahrscheinlich. Sie hatte dasselbe
Motiv wie Cigaglia. Und das, was alles passiert ist, war ein bißchen viel
Arbeit für einen allein.« Er lachte kurz auf. »Sasso quadrato! Friedlicher
Lebensabend! Und gleich schleppen sie sie raus, mit den Füßen voran!«
»Ich bleibe nicht hier«, sagte Corry
unvermittelt.
»Aber Mädchen!« Stasi verwandelte sein
Gesicht in eine Fläche von Bekümmernis. »Du willst mich allein lassen? In
diesen finsteren Hallen, wo die Geister der Ermordeten nachts Ringelreihen
tanzen? Hast du kein Herz in deinem schönen Körper?«
»Du machst wieder einen Spaß daraus. Es
ist mir ernst. Ich bin hiergeblieben, als... er starb und dann sie, ich habe
zugesehen, wie sie beerdigt wurde... ich will nicht mehr. Ich habe keine Lust,
auch umgebracht zu werden. Ich fange an, mich vor meinem Schatten zu fürchten.
Ich will nicht mehr. Sowie die Polizei es erlaubt, gehe ich fort.«
Stasi blickte in ihr Gesicht. Er kam
langsam um den Bartisch herum, bis er dicht bei Corry war. Seine Hände faßten
ihre Oberarme und zogen sie sacht an sich. »Hör zu, Corry«, sagte er. »Ich weiß
das alles. Ich habe mich schon oft gewundert, daß du nicht längst davongelaufen
bist. Ein anderes Mädchen wäre schon nach Noringens Tod kreischend ausgerissen.
Aber jetzt ist die Geschichte zu Ende, und auf ein paar Tage kommt es nicht
mehr an. Ich will mein sorgenfreies Alter auch anderswo verbringen als in
dieser Hütte.«
»Dann komm mit«, sagte sie.
Stasi lächelte. »Das ist der
Weitere Kostenlose Bücher