Die Botin des Koenigs reiter2
Schwarzschleierwald.
Die Katze war weg, ebenso wie die Stimmen. Dennoch, Alton lebte noch, und er wusste nun, in welche Richtung er sich halten musste. Er stapfte weiter durch den Wald und wich nun den Dornen aus.
Nach langer Zeit wurde ihm klar, dass er sich auf einem offenen Weg befand, der kein Zufall der Natur war. Er bückte sich, riss Moos vom Boden und fand vom Meer geschliffene Steine darunter, die einmal eine Straße gebildet hatten.
Vor langer Zeit, dachte er.
Er hatte niemals angenommen, dass hier einmal Menschen gelebt hatten, aber immerhin hatte Mornhavon in dieser Gegend seine Festung errichtet. Er hatte vielleicht auch die Straße gebaut, oder es waren die Menschen gewesen, die vor ihm hier gelebt hatten. Der Schwarzschleierwald war nicht immer ein böser Ort gewesen, aber Alton hatte keine Ahnung, wie es hier vor Mornhavons Ankunft ausgesehen hatte.
Als er weiterging, spähte ein Menschengesicht aus dem Gebüsch, und er erschreckte sich so, dass es ihn wahrscheinlich Jahre seines Lebens kostete. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er einen Stein nach der Gestalt warf. Stein klickte auf Stein.
Eine Statue.
Er ging näher heran und konnte die Struktur des gemeißelten Steins besser erkennen. Verwitterte, leere Augen starrten ihn an. Die Arme der Statue waren erhoben, aber ihre Hände fehlten. Vielleicht würde er sie finden, wenn er sich hinkniete und im Moos und unter anderen Pflanzen suchte.
Die Gestalt war mit kunstvoll gemeißelten Ranken und Blättern bekleidet. Sie musste einmal sehr schön gewesen sein, aber nun waren ihre Konturen von Wasser und Zeit abgeschliffen, und die Oberfläche war fleckig von Flechten.
Alton ging weiter die Straße entlang und sah, dass ein paar Pflastersteine aus dem Moos ragten und eine wackelige Oberfläche bildeten. Aber er konnte nur hoffen, dass er nicht noch stolpern und sich ein Bein brechen würde.
Der Weg führte nach oben, und erst als er die höchste Stelle erreicht hatte, erkannte er, dass er auf einer Brücke stand. Von darunter erklang das träge Gluckern eines Bachs. Welche Zivilisation hatte hier gelebt, bevor sie vom Schwarzschleierwald überwältigt worden war? Als etwas Großes, Glitzerndes mit schlürfendem Geräusch an die Oberfläche kam, eilte er schnell weiter.
Er sah mehr Statuen am Wegesrand. Einige schienen ganz zu sein, wenn auch von Vernachlässigung gezeichnet, während anderen Arme oder Köpfe fehlten, oder sie waren ganz und gar von ihren Podesten gefallen, zerbrochen und lagen nun unter einer Moosdecke begraben. Ein paar hielten
die Fragmente seltsamer bernsteinfarbener Kugeln in den erhobenen Händen.
Er hielt sich nicht lange genug auf, um sich die Statuen oder etwas anderes am Straßenrand genauer anzusehen, denn das kaum geringer gewordene bedrohliche Gefühl, das von dem Wald ausging, trieb ihn voran. Solange er die Möglichkeit hatte, zum Wall zurückzukehren, sollte er seine Zeit lieber dazu nutzen.
Der Weg hatte die eine oder andere Biegung, aber im Allgemeinen zog er sich in die Richtung, aus der Alton die Stimmen gehört hatte. Vielleicht war der Wall nur eine oder zwei Meilen entfernt, vielleicht hundert. Bei dem Durcheinander verschlungener Äste und dem halb durchsichtigen Nebel, der alles umgab, war das schwer zu sagen. Also war er überrascht, als der Wall kurz darauf vor ihm erschien. Er war direkt über die Straße gebaut worden.
Alton presste sich dagegen, fand ihn so angenehm wie die Umarmung seiner Mutter. Er war kalt und aus Stein, aber er war wirklich. Der Wall reagierte jedoch nicht auf seine Berührung, und die Stimmen waren verklungen. Die Hände immer noch auf die Steinfassade gelegt, betrachtete er die Oberfläche und fand einen Haarriss.
Das bedeutete, dass er nicht allzu weit von der Bresche entfernt sein konnte, aber in welche Richtung lag sie? Nach Osten oder nach Westen? Der Riss lieferte ihm keinen Hinweis, denn er zog sich in beide Richtungen. Er konnte nur eine auswählen und weitergehen. Wenn er die Bresche nicht innerhalb von einem oder zwei Tagen fand, würde er umkehren und in die andere Richtung gehen – immer vorausgesetzt, dass er dann noch am Leben war. Die Straße war auf jeden Fall ein Orientierungspunkt.
Er holte tief Luft und ging nach Osten, in die Richtung der
aufgehenden Sonne – wenn er sie nur sehen könnte! Die feuchte Luft trug den intensiven Duft von blühenden Rosen zu ihm.
»Was bist du?«
Vollkommen überrascht, dass der Mann es direkt ansprach, hielt
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