Die Botin des Koenigs reiter2
Kraft in den Stich.
Karigan wandte sich ab. Sie kniff die Augen zu und drückte sich die Hände auf die Ohren. Sie wollte Tys angestrengtes Grunzen nicht hören, und das Messer, das wieder und wieder in Funkes Hals eindrang. Sie könnte Funkes Schreie und ihr Zucken nicht ertragen. Die Stute würde nicht verstehen, wieso ihr Reiter ihr wehtat, wieso er brutale Kraft einsetzte, um durch die dicken Schichten von Muskeln an ihrem starken Hals zu schneiden. Sie würde nicht verstehen, dass er es nur gut mit ihr meinte.
Karigan betete, dass er die Schlagader schnell fand.
Blind und taub gegenüber Tys Qualen, hatte sie nun andere finstere Bilder vor Augen.
Was, wenn es Kondor gewesen wäre? Was, wenn sie nun an seiner Seite knien würde und ihm ein Messer in den Hals stoßen müsste? Sie biss sich auf die Lippe, um die Bilder wegzuzwingen, und schmeckte Blut.
Es dauerte lange, bis sie sich wieder zusammenreißen konnte und wagte, ihre Sinne der Szene zu öffnen, von der sie sich abgewandt hatte. Ty beugte sich über Funkes reglose Gestalt, die Uniform schwarz von Blut. Selbst im Gesicht hatte er Blutspritzer. Flüchtig dachte sie, wie ungewöhnlich es war, Ty so aufgelöst zu sehen, mit Flecken auf der Uniform. Es war irgendwie unwirklich.
Licht aus einem weiter entfernten muna’riel fiel auf Funkes matt werdendes Auge. Ihre Zunge hing schlaff aus dem geöffneten
Maul. Das Blut pumpte immer noch aus ihrem Hals, bildete einen Fluss über den Boden.
Ty weinte nicht. Er starrte nur auf die tote Stute nieder. Karigan ging zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Das Messer des Eleters«, sagte er. »Es war sehr scharf. Es ging schnell. Der Eleter hat sie beruhigt; ich glaube, mit Magie.«
Karigan schloss die Augen und atmete aus. Es hatte also wirklich so etwas wie Gnade gegeben.
»Sie hatte große Schmerzen und war tödlich verwundet«, sagte er. »Ich musste es tun.«
»Ich weiß …« Karigan sprach tröstende Worte, die irgendwann verklangen. Dann schwieg sie, denn sie hatte begriffen, dass es nichts gab, was sie noch sagen konnte.
Karigan wusste nicht, wie lange sie dort bei Ty gestanden hatte, als ein Soldat näher kam.
»Hauptmann Ansible bittet, dass einer von euch nach Sacor reitet, um König Zacharias Bericht zu erstatten«, sagte der Mann.
»Mein Pferd ist verwundet«, erklärte Karigan, und dann warf sie einen bedeutungsvollen Blick auf Ty und Funke.
»Es sind andere Pferde da.«
Zunächst wollte Karigan aufbrausen, dann zwang sie sich, ruhig zu bleiben. Wie konnte der Soldat von der besonderen Verbindung zwischen einem Grünen Reiter und seinem Botenpferd wissen? Sie konnte ihn nicht für seine herzlos anmutenden Worte tadeln. Er war nach dieser Nacht ebenso müde und überanstrengt wie alle anderen, und er hatte wahrscheinlich gute Freunde verloren. Ein totes Pferd würde ihm im Vergleich dazu nur wenig bedeuten.
»Ich werde es tun.« Tys Worte kamen so leise heraus, dass Karigan nicht sicher war, ob sie sie tatsächlich gehört
hatte. »Ich werde nach Sacor reiten.« Diesmal sprach er lauter.
»Ty … «, begann Karigan, aber der Schmerz und die Entschlossenheit in seinem Blick brachten sie zum Schweigen.
»Eins von euren Botenpferden ist da drüben«, sagte der Soldat und zeigte mit dem Daumen über die Schulter. »Lässt uns nicht in die Nähe der Leiche.«
»Ihr Götter«, murmelte Karigan.
Kranich stand über Ereal. Er musste sich beim Kampf mit den Erdriesen irgendwie befreit und sich auf die Suche nach ihr gemacht haben.
Er schubste Ereals Schulter mit der Nase, aber selbstverständlich reagierte sie nicht. Dann stand er verloren da, den Kopf gesenkt, bis er bemerkte, wie Karigan und Ty sich näherten. Er rannte auf sie zu, die Ohren angelegt, die Zähne gefletscht, blieb vor ihnen stehen und scharrte.
»O Kranich!«, murmelte Karigan.
Kranich bäumte sich auf, drehte sich um und kehrte zu Ereal zurück, um sie weiterhin zu bewachen. Er nahm ihren Ärmel zwischen die Zähne, schüttelte ihren Arm und versuchte sie zu wecken. Ereal hatte Karigan einmal erzählt, dass Kranich besser war als ein Hahn. Wenn sie auf einem Botenritt ein Lager aufschlugen, weckte er sie immer bei Sonnenaufgang. Karigan erinnerte sich daran, wie Ereal gelacht hatte, als sie erzählt hatte, wie Kranich einmal sogar ihre Decke weggezogen hatte. »Er rennt so gern«, hatte Ereal gesagt, »und kann es morgens kaum erwarten, dass es weitergeht.«
Ty wurde blass, als Kranich an Ereals Ärmel zog.
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