Die Botin des Koenigs reiter2
gewisse Ahnung.«
Telagioth blieb vor der Platte stehen. »Tatsächlich?« Er zeigte auf den Stein.
Die Platte sah nicht anders aus als andere Aufbahrungsplatten, die sie gesehen hatte. Sie war mit Piktogrammen und unverständlichen Runen versehen, aber anders als auf den ihr bekannten gab es auch hier kein Bild von Westrion. Zerbrochene rostige Ketten lagen auf der Oberfläche. Sie begann zu verstehen.
»Das hier war weniger ein Grab«, sagte sie, »als ein Gefängnis. «
»Ja.«
»Die Schutzzauber …«, murmelte sie. Die Schutzzauber
hatten »etwas« hier festhalten sollen, genau, wie sie vermutet hatte, als sie und Ty die Lichtung gefunden hatten. War das wirklich erst gestern Nachmittag gewesen? Es schien Jahre her zu sein. Ein Gefängnis würde vieles erklären – der verdeckte Eingang, die Siegel, von denen Telagioth gesprochen hatte, die Abwesenheit des Bilds von Westrion und die Ketten.
»Die Dummheit deiner Leute«, sagte Telagioth, »hat ein schreckliches Übel wieder auf das Land losgelassen.«
Karigan warf ihm einen scharfen Blick zu. »Wie meinst du das?«
»Euer Lager hat die Schutzzauber geschwächt.«
»Diese Zauber waren bereits schwach.«
»Ja, aber sie hätten noch ein wenig länger gehalten, und die Tragödie hätte vermieden werden können.«
Es fiel Karigan schwer zu glauben, dass die Delegation allein eine solche Katastrophe ausgelöst haben sollte. Sie schloss die Augen und erinnerte sich an dieses seltsame Gefühl, als wäre eine Kraft durch den Wald gezogen, kurz bevor der Grabhügel explodierte: Varadgrim, Varadgrim, Varadgrim … War das die Macht gewesen, die die Lichtung in Brand gesetzt und den Geist befähigt hatte zu entkommen? Sie war nicht sicher, denn ihrem Gefühl nach war es eher eine Art Ruf gewesen. Vielleicht hatte der Ruf den Geist geweckt. Und wenn das der Fall war, wer – oder was – hatte da gerufen?
»Die Schutzzauber wurden nicht instand gehalten, ebenso wenig wie der D’Yer-Wall«, sagte Telagioth. »Dein Volk glaubte, sie würden für alle Zeit bestehen, aber Kraft, Wissen und Magie sind im Lauf der Generationen geringer geworden, und die Erinnerung ist verblasst. Sterbliches Leben ist so kurz; und nun bringt das die Welt in Gefahr.«
So viele Gefühle rangen in Karigan miteinander, wenn
auch getrübt von Schock und Erschöpfung, und nun hatte der Eleter auch noch ihren Zorn ausgelöst. Die Woge drohte sie immer noch mit voller Wucht zu treffen, wenn sie die Beherrschung verlieren sollte.
»Die Eleter hätten es sicher besser gekonnt«, sagte sie. »Aber aus irgendeinem Grund haben sie offenbar nicht die Verantwortung übernehmen wollen.«
Telagioth reagierte nicht auf den Zorn in ihrer Stimme Stattdessen schaute er tieftraurig drein. »Es ist wahr, aber wir waren nach dem Langen Krieg ein gebrochenes und besiegtes Volk. Wir hatten nicht die Kraft, wir konnten nur unsere Wunden lecken. Ich kann mich gut erinnern. Aber so, wie deine Art blüht und ihren Einfluss ausdehnt, arbeiten auch wir daran, uns zu erholen.«
Karigan schlang die Arme um den Oberkörper, unsicher, ob das gegen die Kälte oder gegen seine Worte helfen sollte.
»Der Riss im D’Yer-Wall hat Mächte auf beiden Seiten des Walls geweckt, Galadheon. Unsere Zeit der Ruhe und Rast ist vorbei, und dies musst du deinem König sagen. Die Warnung steht deutlich vor uns.« Er zeigte auf die leere Steinplatte und die zerbrochenen Ketten. »Dieses Geschöpf ist entkommen. Es war einmal ein Mensch. Ein Mensch, der von seinem Herrn im Austausch für seine Treue und seine Seele eine unnatürliche, endlose Existenz erhielt. Vor langer Zeit habe ich einem wie ihm im Kampf gegenübergestanden. Und nun hat er seinen Weg in die Welt zurückgefunden, wie es andere ebenfalls tun werden. Dunkle Mächte erwachen.«
Telagioth verlagerte das Gewicht und sah sich fragend um. Er beugte sich vor und steckte den Arm bis zur Schulter ins Wasser. »Ich bin gegen etwas gestoßen«, sagte er. Als er sich wieder aufrichtete, hielt er einen triefenden Gegenstand in der Hand. »Das hier ist ein Artefakt des Bösen.«
Karigan schaute genauer hin und sah, dass es sich um den rostigen Handschutz und ein Stück eines zerbrochenen Schwerts handelte, mit einem ebenfalls zerbrochenen, schimmeligen hölzernen Griff. Der Griff war wahrscheinlich früher einmal mit Leder umwickelt gewesen.
»Deine Leute haben zumindest daran gedacht, es zu zerbrechen«, sagte Telagioth. »Es war ein Schwert, mit dem man Seelen rauben
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