Die Botin des Koenigs reiter2
und ihre Kinder krabbeln zwischen den Hunden auf dem schmutzigen Boden herum. Sie führen gegeneinander Kriege; die Anführer lassen sie andere Stämme wegen der dümmsten Kleinigkeiten angreifen. Sie reagieren mit Ehrfurcht auf unsere schöne Kleidung und den Schmuck und betrachten unsere Maschinen mit einer Mischung aus Neugier und Angst. Alessandros geht davon aus, dass diese Menschen leicht zu zähmen sind und sich dem Kaiserreich gerne anschließen werden.
IM SOMMERTHRONSAAL
Sechs …
Laren Mebstone, Hauptmann des Botendiensts Seiner Majestät, der Grünen Reiter, zählte lautlos die Stunden, die die Glocke unten in Sacor schlug.
Sieben …
Die Glocke war anlässlich des letzten Geburtstags Seiner Majestät im Turm der Mondkapelle installiert worden. Sie – und das Knurren ihres Magens – erinnerten Laren nur zu gut daran, dass es schon lange Zeit zum Abendessen gewesen wäre.
Acht …
Der letzte trübselige Glockenschlag hing einige Zeit in der Luft, bevor er gnädig verklang. Laren verzog das Gesicht, verlagerte das Gewicht und warf dem alten Kastellan des Königs einen neidischen Blick zu. Sperren schlief auf seinem Stuhl so friedlich wie ein Kleinkind. Sie dagegen hatte stundenlang an der Seite des Königs verharren müssen, während er Bittsteller anhörte. Ihr Rücken brachte sie noch um.
Das Übliche, dachte sie.
Nun stand Lordstatthalter D’Ivary vor König Zacharias. Er war in den Thronsaal spaziert, gerade als der König dazu angesetzt hatte, das Ende der heutigen Audienz zu erklären, aber mit überwältigender Geduld hatte Zacharias D’Ivary noch empfangen und zugehört, wie der Statthalter sich aufs
Weitschweifigste und Umständlichste über die Flüchtlinge aus dem Norden beschwert hatte, die in sein Land strömten.
Colin Dovekey, einer der Berater des Königs, hatte das Kinn auf die Faust gestützt und lauschte mit steinerner Miene, aber aufmerksam. Alle anderen, abgesehen von den schwarz gekleideten Waffen, die wie Statuen in den Nischen an der Wand standen, hatten den Thronsaal schon vor Stunden verlassen. Das goldorangefarbene Sommerlicht warf dunstige Lichtstrahlen durch die westlichen Fenster. Bald würden die Pagen hereinkommen und die Lampen anzünden.
»Ich weiß Eure Besorgnis zu schätzen, Lord D’Ivary«, sagte König Zacharias.
Laren beobachtete den König genau, als er auf den Lordstatthalter und dessen Sekretär hinabschaute, die am Fuß des Podiums standen. Zacharias wirkte ruhig und gleichmütig, sein Tonfall war höflich. Aber Laren, die ihn kannte, seit er ein Junge gewesen war, hatte bemerkt, dass sich die Muskeln an seinem Kiefer ein wenig angespannt hatten und sich auf seiner Stirn eine Falte zeigte.
»Ich bitte um Verzeihung, Sire«, sagte D’Ivary, »aber ich bin nicht sicher, ob Ihr das Ausmaß meiner Sorgen begreift.« Er war ein birnenförmiger Mann, der dazu neigte, den Bauch vorzurecken, als wären seine kürzlich erworbene Macht und sein Status etwas Körperliches. Laren fühlte sich an einen überfütterten Hahn erinnert.
Hedric D’Ivary war nach dem Tod seiner Kusine in seine derzeitige Position aufgestiegen. Die frühere Lordstatthalterin hatte keine anderen Erben gehabt, was die Clanältesten der Provinz gezwungen hatte, darüber zu diskutieren, wer der angemessenste Nachfolger sei. Sie hatten sich für Hedric entschieden.
Die Wahl eines neuen Lordstatthalters war ein mühseliger
und kniffliger Prozess, denn falls der derzeitige König ohne Erben sterben sollte, war jeder Lordstatthalter berechtigt, auf den Thron zu steigen. In der Vergangenheit hatte das zu blutigen Bürgerkriegen geführt.
Andere Provinzen hatten vor Kurzem den gleichen Prozess durchgemacht, denn viele Adlige waren bei Prinz Amiltons Versuch eines Staatstreichs vor etwas mehr als zwei Jahren umgekommen. Viele neue Statthalter, »frisches Blut«, wie die gesetzteren Kollegen sie nannten, hatten nie erwartet, einmal eine solche Stellung einzunehmen, und genossen nun ihre neue Macht. Dabei fehlte es ihnen an Erfahrung und den staatsmännischen Fähigkeiten ihrer Vorgänger. Die regierenden Familien waren im Umbruch, ebenso wie die Loyalitäten. König Zacharias hatte alle Hände voll zu tun.
»Diese ›Flüchtlinge‹, wie Ihr sie nennt – Gesetzlose und Halsabschneider nenne ich sie –, ziehen umher und errichten ihre Lager, wo immer sie wollen«, sagte Lord D’Ivary. »Es ist ihnen gleich, ob ein Feld bebaut wird oder ob es als Weide dient. Die einfachen Leute, die das
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