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Die Bourne-Identität

Titel: Die Bourne-Identität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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verstreichen, bis ihr Zittern nachließ und anstelle des Schluchzens tiefe Atemzüge traten. Er konnte nicht länger warten; sie mußte es selbst sehen. Sie mußte es endlich begreifen. Ich bin Cain. Ich bin der Tod.
    »Komm!« flüsterte er.
    Er führte sie in den Korridor hinaus, auf das Zimmer zu, das sein letzter Beweis war. Er stieß die zerbrochene Türe auf, und sie gingen hinein.
    Sie stand reglos da, von dem Anblick, der sich ihr bot, geschockt. Rechts von der offenen Tür war die undeutliche Silhouette einer Gestalt zu erkennen. Das Licht dahinter war so gedämpft, daß man nur die Umrisse sehen konnte. Das Auge mußte sich erst an die seltsame Mischung von Dunkelheit und Helligkeit gewöhnen. Es war die Gestalt einer Frau in einem langen Kleid, der Stoff raschelte leicht im Windzug, der vom offenen Fenster hereinkam.
    Fenster. Genau vor ihnen bewegte sich eine zweite Gestalt, kaum sichtbar, aber vorhanden. Ihre Umrisse waren nur ein undeutlicher Fleck, den das Licht von der fernen Straße beleuchtete. Kurze, heftige Zuckungen ließen Marie erstarren.
    »O Gott«, stammelte sie. »Schalte das Licht ein, Jason.«
    »Nein, es funktioniert nicht«, erwiderte er. »Da sind nur zwei Tischlampen, eine haben sie gefunden.« Er ging vorsichtig durchs Zimmer und fand die Lampe, die er suchte; sie stand nahe bei der Wand auf dem Boden. Er kniete nieder und knipste sie an; Marie schauderte.
    Vor der Badezimmertür hing ihr langes Kleid, von Fäden festgehalten, die er aus einem Vorhang gezogen hatte, flatterte es im Wind. Es war von Kugellöchern zerfetzt.
    Am Fenster waren Bournes Hemd und Hose mit Reißzwecken am Fensterrahmen befestigt, die Scheiben an beiden Ärmeln zerschlagen, so daß der Wind von draußen den Stoff bewegen konnte. Das weiße Tuch des Hemds war an einem halben Dutzend Stellen durchlöchert, und eine schräge Reihe von Einschußlöchern verlief quer über die Brust.
    »Da hast du deine Nachricht«, sagte Jason. »Jetzt weißt du Bescheid. Und jetzt wirst du dir anhören, was ich zu sagen habe.«
    Marie gab keine Antwort. Langsam ging sie auf ihr Kleid zu und musterte es, als könnte sie nicht glauben, was sie sah. Und dann fuhr sie ohne Warnung plötzlich herum und ihre Augen funkelten, ihr Tränenfluß war zum Versiegen gekommen. »Nein! Da stimmt etwas nicht! Ich weiß es. Du mußt die Botschaft anrufen.«
    »Was?«
    »Tu, was ich sage. Jetzt!«
    »Hör auf, Marie. Du mußt begreifen.«
    »Nein, verdammt! Du mußt begreifen! Da stimmt etwas nicht.«
    »Was soll da nicht stimmen?«
    »Ruf die Botschaft an! Nimm das Telefon dort drüben und ruf sofort an! Du mußt Corbelier verlangen. Schnell, um Gottes willen! Wenn ich dir überhaupt etwas bedeute, dann tu, was ich sage!«
    Bourne konnte sich ihrer Intensität nicht widersetzen. »Was soll ich sagen?« fragte er und ging ans Telefon.
    »Ruf ihn zuerst an! Das ist es, wovor ich Angst habe ... o Gott, habe ich Angst!«
    »Welche Nummer?«
    Sie gab sie ihm; er wählte und mußte eine Ewigkeit warten, bis die Zentrale sich meldete. Als sie das schließlich tat, war die Frau am anderen Ende völlig verwirrt, ihre Stimme schwankte und war teilweise unverständlich. Im Hintergrund konnte er Schreie hören, scharfe Kommandos, die schnell in Englisch und Französisch ausgestoßen wurden. Binnen Sekunden erfuhr er den Grund.
    Dennis Corbelier, kanadischer Attaché, war um ein Uhr vierzig die Stufen der Gesandtschaft in der Avenue Montaigne hinuntergegangen und hatte einen Schuß in die Kehle bekommen. Er war tot.
    »Das ist der andere Teil der Nachricht, Jason«, flüsterte Marie und starrte ihn an. »Und jetzt will ich mir alles anhören, was du zu sagen hast, weil dort draußen wirklich jemand ist, der versucht, dich zu erreichen, dir zu helfen. Jemand hat eine Nachricht ausgeschickt, aber nicht an uns, nicht an mich. Nur an dich, und nur du solltest sie verstehen.«

22.
    Die vier Männer trafen einer nach dem anderen im überfüllten Hilton-Hotel an der Sechzehnten Straße in Washington, D.C., ein. Jeder ging zu einem anderen Lift und fuhr damit zwei oder drei Stockwerke über oder unter sein Ziel und ging den restlichen Weg zur richtigen Etage zu Fuß. Es war keine Zeit mehr, sich außerhalb der Grenzen des District of Columbia zu treffen; es herrschte äußerste Alarmbereitschaft. Es waren dies alle die Männer von Treadstone Seventy-One; jene, die noch am Leben geblieben waren. Der Rest war tot. In einem Massaker an einer stillen, von Bäumen

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