Die Bourne-Identität
Korridor, die zu funktionieren schien, weil sie selbst bei geschlossener Türe einen Heidenspektakel verursachte.
»Also gut. Wer wollte uns eine Nachricht schicken?« fragte Bourne, der dastand und das Whiskyglas zwischen den Fingern drehte.
»Wenn ich das wüßte, würde ich mit ihnen in Verbindung treten«, sagte sie. Sie saß an dem kleinen Schreibtisch und hatte den Stuhl herumgedreht, die Beine übereinandergeschlagen, und musterte ihn aufmerksam. »Es könnte mit deiner Flucht in Zusammenhang stehen.«
»Dann wäre es eine Falle.«
»Das glaube ich nicht. Ein Mann wie Walther Apfel stellt keine Fallen.«
»Da bin ich mir nicht so sicher.« Bourne ging zu dem einzigen plastikbezogenen Armsessel und setzte sich. »Koenig hat mich auch in dem Wartezimmer markiert.«
»Er war ein bestochener kleiner Angestellter, kein leitender Beamter der Bank. Er handelte alleine. Apfel konnte das nicht.«
Jason blickte auf. »Was willst du damit sagen?«
»Apfels Aussage mußte von seinen Vorgesetzten autorisiert werden. Sie erfolgte im Namen der Bank.«
»Bist du sicher? Dann können wir ja Zürich anrufen.«
»Das hat keinen Sinn. Apfels letzte Worte waren, daß sie keine weiteren Kommentare mehr abgeben wollten. Wir sollten mit jemand anderem Verbindung aufnehmen.«
Bourne trank; er brauchte den Alkohol, denn der Augenblick rückte näher, wo er beginnen würde, die Geschichte eines Killers namens Cain zu erzählen. »Und dann sind wir wieder so schlau wie vorher, nicht wahr?« sagte er. »Dann sitzen wir wieder in der Falle.«
»Du weißt, wer er ist?« Marie griff nach ihren Zigaretten, die auf dem Schreibtisch lagen. »Deshalb bist du doch geflohen, oder?«
»Ja.« Der Augenblick war gekommen. Carlos hatte die Nachricht gesandt. Ich bin Cain, und du mußt mich verlassen. Ich muß dich verlieren. Aber zuerst ist Zürich, und du mußt verstehen.
»Dieser Artikel ist darauf angelegt, mich zu finden.«
»Ich habe darüber nachgedacht und glaube, die wissen, daß das Beweismaterial so falsch ist wie nur möglich. Die Züricher Polizei erwartet jetzt von mir, daß ich Verbindung mit der kanadischen Botschaft aufnehme ...« Marie hielt inne, die unangezündete Zigarette in der Hand. »Mein Gott, Jason, das ist es, was sie wollen!«
»Wer will das?«
»Derjenige, der uns die Nachricht schickt, der weiß, daß ich keine andere Wahl habe, als die Botschaft anzurufen und mir den Schutz der kanadischen Regierung zu beschaffen. Ich hatte ja gestern schon einmal mit diesem - wie heißt er, Dennis Corbelier - gesprochen; der weiß Bescheid.« Marie griff nach dem Telefon auf dem Nachttisch.
Bourne sprang aus dem Sessel hoch und hielt ihren Arm fest. »Nicht«, sagte er mit fester Stimme.
»Warum nicht?«
Bourne stellte sich vor sie. »Ich glaube, du solltest dir erst anhören, was ich zu sagen habe.«
»Nein!« schrie sie und überraschte ihn damit. »Ich will es nicht hören. Nicht jetzt!«
»Vor einer Stunde noch, in Paris, wolltest du es unbedingt hören. Also ... «
»Nein! Vor einer Stunde bin ich gestorben. Du hattest dich zur Flucht entschlossen, ohne mich. Und ich weiß jetzt, daß es von nun an immer wieder geschehen wird. Du hörst Worte, du siehst Bilder, du erinnerst dich an Dinge, die du nicht verstehen kannst und die dir Angst einjagen. Das wird so lange weitergehen, bis dir jemand beweist, daß es andere sind, die dich mißbrauchen, die deinen Tod wollen. Aber irgend jemand will uns helfen. Das ist die Nachricht! Ich weiß, daß ich recht habe. Laß es mich dir beweisen!«
Bourne hielt ihre Arrne schweigend fest und sah ihr ins Gesicht, ihr liebliches Gesicht, in dem Schmerz und gleichzeitig Hoffnung geschrieben standen; ihre Augen, die ihn anflehten. Verzweiflung packte ihn. Vielleicht hatte sie recht, es gab keine andere Möglichkeit.
»Also gut, ruf an!« Er ließ sie los und ging ans Telefon und wählte die Nummer der Rezeption. »Hier ist Zimmer 341. Ich habe gerade von Freunden in Paris gehört; sie wollen zu uns herauskommen. Haben Sie noch ein Zimmer auf dem gleichen Flur? Sehr schön. Ihr Name ist Briggs, ein amerikanisches Ehepaar. Ich komme hinunter und zahle im voraus, dann können Sie mir den Schlüssel geben. Danke.«
»Was machst du?«
»Ich beweise dir etwas«, sagte er. »Gib mir ein Kleid«, fuhr er dann fort. »Das längste, das du hast.«
»Was?«
»Wenn du dein Telefongespräch führen willst, mußt du tun, was ich dir sage.«
»Du bist verrückt.«
»Das bestreite ich
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