Die Bourne-Identität
Fluß rief ich jemanden im Hotel an ...«
»Den Franzosen? Den Belgier?« unterbrach Jason.
»Nein. Die waren bei dem Bertinelli-Vortrag gewesen. Wenn sie mich auf der Bühne mit Ihnen erkannt hatten, hatten sie vermutlich der Polizei meinen Namen genannt. Nein, ich rief eine Frau an, die unserer Delegation angehörte; sie haßt Bertinelli und war in ihrem Zimmer. Wir haben ein paar Jahre zusammen gearbeitet und sind befreundet. Ich habe ihr gesagt, falls sie irgend etwas über mich gehört haben sollte, es fehlte mir nichts. Und falls sich jemand nach mir erkundigte, sollte sie sagen, ich hätte den Bertinelli-Vortrag vorzeitig verlassen und sei den Abend über bei einem Freund. Womöglich bleibe ich über Nacht.«
»Methodisch«, sagte Bourne.
»Ja.« Marie lächelte leicht. »Ich bat sie, auf mein Zimmer zu gehen - wir sind nur zwei Türen voneinander entfernt, und das Zimmermädchen weiß, daß wir befreundet sind, und wenn niemand dort wäre, Kleider und Make-up in meinen Koffer zu packen und wieder in ihr Zimmer zurückzukehren. Ich würde in fünf Minuten noch einmal anrufen.«
»Sie hat das einfach akzeptiert?«
»Ich sagte Ihnen doch, wir sind befreundet.« Marie hielt erneut inne. »Wahrscheinlich dachte sie, ich hätte die Wahrheit gesagt.«
»Weiter.«
»Als ich wieder anrief, hatte sie meine Sachen gepackt bei sich.«
»Was bedeutet, daß die beiden anderen Delegierten der Polizei Ihren Namen nicht genannt haben; sonst hätte man Ihr Zimmer beobachtet.«
»Ich weiß nicht, ob sie das inzwischen getan haben. Wenn ja, hat man meine Freundin sicher verhört. Dann hat sie bestimmt gesagt, was ich ihr aufgetragen habe.«
»Sie war im >Carillon<, und Sie waren unten am Fluß? Wie bekamen Sie Ihre Sachen?«
»Das war ganz einfach, nur ein wenig seltsam vielleicht. Sie sprach mit dem Zimmermädchen und sagte ihr, ich ginge einem Mann im Hotel aus dem Wege und hätte mich mit einem anderen draußen getroffen. Nun würde ich meinen Koffer brauchen, und ob sie vielleicht wüßte, wie man ihn zu mir bringen könnte. Zu einem Wagen ... unten am Fluß. Ein Dienstbote hat ihn mir gebracht.«
»War er nicht überrascht darüber, wie Sie aussahen?«
»Er hatte nicht viel Gelegenheit, etwas zu sehen. Bevor er erschien, hatte ich den Kofferraum geöffnet und eine Zehnfrankennote auf das Reserverad gelegt. Ich blieb im Wagen und sagte ihm, er solle den Koffer hinten hineinlegen.«
»Sie sind nicht methodisch, Sie sind bemerkenswert!«
»Methodisch genügt.«
»Wie fanden Sie den Arzt?«
»Hier. Durch den Concierge, oder wie man das in der Schweiz nennt. Ich hatte Sie ja, so gut ich konnte, verbunden und die Blutung gestillt. Ich verstehe ein wenig von Erster Hilfe. Da ich Sie teilweise entkleiden mußte, fand ich das Geld. Und dann begriff ich, was Sie meinten, als Sie sagten, ich solle einen Arzt finden, der für Geld schweigt. Sie haben viele Tausende von Dollars bei sich. Ich kenne die Wechselkurse.«
»Das ist nur der Anfang.«
»Was?«
»Schon gut.« Wieder versuchte er, sich zu erheben; es war zu schwierig. »Haben Sie keine Angst vor mir? Angst vor dem, was Sie getan haben?«
»Natürlich habe ich Angst. Aber ich weiß auch, was Sie für mich getan haben.«
»Sie sind vertrauensvoller, als ich das unter den gegebenen Umständen wäre.«
»Dann kennen Sie vielleicht die Umstände nicht. Sie sind noch sehr schwach, und ich habe die Pistole. Außerdem haben Sie keine Kleider.«
»Keine?«
»Nicht einmal eine Unterhose. Ich habe alles weggeworfen. Sie würden ziemlich komisch aussehen, wenn Sie mit einem Geldgurt aus Plastik bekleidet über die Straße liefen.«
Bourne lachte trotz seiner Schmerzen und mußte an La Ciotat und den Marquis de Chamford denken. »Methodisch«, sagte er.
»Sehr.«
»Und was passiert jetzt?«
»Ich habe den Namen des Arztes aufgeschrieben und eine Wochenmiete für das Zimmer bezahlt. Der Concierge bringt Ihnen heute mittag ein warmes Essen. Ich bleibe bis zum späten Vormittag hier. Es ist fast sechs Uhr, es sollte bald hell werden. Dann fahre ich ins Hotel zurück, hole mir meine restlichen Sachen und meine Flugtickets und werde mir große Mühe geben, Sie nicht zu erwähnen.«
»Und wenn Sie das nicht können? Wenn man Sie im Vortragssaal erkannt hat?«
»Dann werde ich es ableugnen. Es war finster. Das ganze Hotel war in Panik.«
»Jetzt sind Sie nicht methodisch. Zumindest nicht so methodisch, wie das die Züricher Polizei wäre. Ich weiß einen besseren
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