Die Bourne-Identität
mit Leuten; das bedeutet, daß Sie Verabredungen hatten. Wer hat die Termine für diese Treffen festgelegt? Jemand mußte das doch tun.« »Telegramme. Telefongespräche.« »Von wem? Von wo?«
»Ich weiß es nicht. Sie erreichten mich einfach.« »In Hotels?«
»Ja. Meistens, denke ich.«
»Sie erzählten mir, der Empfangschef im >Carillon< hätte gesagt, Sie hätten Mitteilungen erhalten.«
»Dann wurden sie mir also ins Hotel geschickt.« »Was verbinden Sie mit Seventy-One?« »Treadstone.«
»Treadstone - das ist Ihre Firma, nicht wahr?«
»Das Wort hat keine weitere Bedeutung. Ich konnte den Namen nirgendwo finden.«
»Konzentrieren Sie sich!«
»Tue ich ja. Er stand nicht im Telefonbuch. Ich habe in New York angerufen.«
»Sie halten den Namen für ungewöhnlich. Das ist er nicht.«
»Warum nicht?«
»Es könnte eine Abteilung sein oder eine Tochtergesellschaft, eine Firma, die man nur gegründet hat, um Einkäufe für eine Muttergesellschaft zu tätigen, deren Name den Preis in die Höhe treiben würde. So etwas geschieht jeden Tag.«
»Wen wollen Sie eigentlich überzeugen?«
»Sie. Es ist durchaus möglich, daß Sie der Beauftragte amerikanischer Geschäftsleute sind. Alles deutet darauf hin: die bereitgestellten Mittel, die vertrauliche Behandlung, die Ermächtigung durch einen Firmenbeauftragten, zu der es nie kam. Diese Fakten und Ihr offensichtliches Gespür für politische Veränderungen deuten darauf hin, daß Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit für einen Großaktionär oder Gesellschafter der Mutterfirma gearbeitet haben.«
»Sie reden schrecklich schnell.«
»Ich habe nichts gesagt, was nicht logisch ist.«
»Ihre Theorie kann nicht ganz stimmen.«
»Warum nicht?«
»Auf dem Konto sind keinerlei Entnahmen verbucht, nur Zugänge. Ich habe demnach nichts gekauft, sondern verkauft.«
»Das wissen Sie nicht; Sie können sich nicht erinnern. Man kann auch mit Termingeldern zahlen.«
»Ich weiß nicht einmal, was das bedeutet.«
»Ein Finanzexperte, der sich im Steuerrecht auskennt, würde das wohl wissen. Und wo ist der andere Widerspruch?«
»Man versucht jemanden nicht zu töten, nur weil er etwas zu einem billigeren Preis einkauft.«
»Das passiert, wenn der Betreffende einen folgenschweren Fehler gemacht hat. Was ich Ihnen zu erklären versuche, ist, daß Sie nicht sein können, was Sie nicht sind!«
»Sie sind sich aber Ihrer Sache verdammt sicher.«
»Allerdings. Ich habe drei Tage mit Ihnen verbracht. Sie haben mir viel erzählt, und ich habe Ihnen aufmerksam zugehört. Ein schrecklicher Fehler ist begangen worden. Oder es handelt sich um irgendeine Verschwörung.«
»Was für eine Verschwörung? Und gegen wen oder was?«
»Das ist es, was Sie herausfinden müssen.«
»Danke.«
»Sagen Sie mir, was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an Geld denken?«
Hören Sie auf! Tun Sie das nicht! Verstehen Sie denn nicht? Wenn ich an Geld denke, denke ich an Töten.
»Ich weiß nicht«, sagte er. »Ich bin müde, und möchte jetzt schlafen. Schicken Sie morgen Ihr Telegramm ab. Schreiben Sie Peter, daß Sie zurückkommen.«
Es war nach Mitternacht, am Anfang des vierten Tages, und der Schlaf wollte sich immer noch nicht einstellen. Bourne starrte zur Decke, auf das dunkle, glasierte Holz, das das Licht der Tischlampe auf der anderen Seite des Zimmers reflektierte. Das Licht blieb nachts eingeschaltet; Marie ließ es einfach brennen, ohne ihm weiter zu erklären, warum sie das tat.
Am Morgen würde sie nicht mehr dasein, und seine eigenen Pläne würden Gestalt annehmen müssen. Er würde noch ein paar Tage in dem Gasthof bleiben, den Arzt in Wohlen anrufen, damit er ihm die Fäden entfernte. Anschließend wollte er nach Paris. Das Geld war dort und auch noch etwas anderes; das wußte er, fühlte er. Eine endgültige Antwort auf seine Fragen würde er nur dort finden. Paris wartete auf ihn.
Sie sind nicht hilflos. Sie werden Ihren Weg finden.
Was würde er finden? Einen Mann namens Carlos? Wer war Carlos, und welche Beziehung hatte er zu Jason Bourne?
Er hörte, wie auf der Couch an der Wand Stoff raschelte. Er blickte hinüber und stellte überrascht fest, daß Marie nicht schlief. Vielmehr starrte sie ihn an.
»Sie haben unrecht«, sagte sie.
»Worin?«
»Mit dem, was Sie denken.«
»Sie wissen nicht, was ich denke.«
»Doch, das weiß ich. Ich habe diesen Blick in Ihren Augen gemerkt, wenn Sie Dinge sehen, bei denen Sie nicht sicher sind, ob sie überhaupt existieren,
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