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Die Bourne-Identität

Titel: Die Bourne-Identität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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achtzehnten Lebensjahr in Calgary gelebt und war dann auf die McGill-Universität in Montreal gegangen. Dort hatte sich ihr Leben in eine Richtung entwickelt, wie sie es nie vorher geplant hatte. Sie, die vorher lieber hoch zu Roß über die Felder galoppierte, und an Schule und Paukerei keinerlei Interesse hatte, entdeckte plötzlich, wie aufregend es sein konnte, seinen Verstand zu gebrauchen.
    »Früher hatte ich die Bücher als meine natürlichen Feinde angesehen, und plötzlich befand ich mich an einem Ort, umgeben von Leuten, die von ihnen besessen waren, und hatte selber mächtigen Spaß. Die ganze Zeit wurde geredet, Tag und Nacht, in den Seminaren, in überfüllten Lokalen beim Bier. Ich glaube, das viele Reden war es, das mich anzog. Klingt das einleuchtend für Sie?«
    »Ich kann mich nicht an meine Studienzeit erinnern, aber ich kann es verstehen«, sagte Bourne. »Mir fällt das College nicht ein, aber ich bin ziemlich sicher, daß ich eines besucht habe.« Er lächelte. »Gespräche beim Bier hinterlassen ziemlich starke Eindrücke.«
    Sie erwiderte sein Lächeln. »Was den Bierkonsum anbelangte, konnte ich gleich mit beeindruckenden Leistungen aufwarten. Ein junges Mädchen aus Calgary, das mit zwei älteren Brüdern aufgewachsen und dauernd mit ihnen im Wettbewerb gelegen hatte, vertrug mehr Bier als viele Jungs auf der Universität von Montreal.«
    »Man muß Ihnen das übelgenommen haben.«
    »Nein, man hat mich nur beneidet.«
    Marie St. Jacques war fasziniert von der neuen Welt. Bald reiste sie nur noch selten zu ihren Eltern. Anfänglich galt ihr Interesse der Geschichte, bis sie erkannte, daß historische Prozesse meist von wirtschaftlichen Kräften gesteuert werden. Sie sattelte um auf Volkswirtschaft, und nach fünfjährigem Studium absolvierte sie ihr Examen mit so hervorragenden Noten, daß sie ein Stipendium der kanadischen Regierung nach Oxford erhielt.
    »Das war ein Tag, kann ich Ihnen sagen. Ich dachte, meinen Vater würde der Schlag treffen. Ob Sie es glauben oder nicht, er überließ sein wertvolles Vieh meinen Brüdern, um nach Osten zu fliegen und mir das Ganze auszureden.«
    »Warum? Er war doch Buchhalter; und Sie wollten Ihren Doktor in Volkswirtschaft machen.«
    »Machen Sie ja nicht den Fehler«, rief Marie aus. »Buchhalter und Volkswirtschaftler sind von Natur aus verfeindet. Die einen sehen die Bäume, die anderen den Wald. Und die Schlüsse, die sie aus ihren Beobachtungen ziehen, sind in der Regel grundverschieden. Außerdem ist mein Vater nicht einfach Kanadier, er ist Frankokanadier. Ich glaube, er sah in mir eine Verräterin an Versailles. Als ich ihm dann erklärte, daß das Stipendium mich dazu verpflichte, mindestens drei Jahre für die Regierung zu arbeiten, besänftigte ihn das ein wenig. Er meinte, ich könne >der Sache von innen heraus besser dienen. Vive Québec libre! Vive la France!«
    Sie lachten beide.
    Die dreijährige Verpflichtung für Ottawa wurde immer wieder verlängert: jedesmal, wenn sie sich mit dem Gedanken trug zu kündigen, wurde sie um eine Rangstufe befördert, bis sie schließlich ein großes Büro und eine Anzahl Mitarbeiter hatte.
    »Macht korrumpiert natürlich« - sie lächelte -, »und niemand weiß das besser als eine hohe Beamtin, die von Banken und Firmen um Rat gefragt wird. Aber ich glaube, Napoleon hat das besser ausgedrückt: >Man stelle mir genügend Orden zur Verfügung - und ich gewinne jeden Krieg.< Also blieb ich. Meine Arbeit macht mir ungeheuren Spaß, weil ich von der Sache was verstehe.«
    Jason beobachtete sie, während sie sprach. Unter ihrer kühlen, kontrolliert wirkenden Fassade war da etwas Überschwengliches, Kindliches an ihr. Sie konnte sich schnell begeistern, zügelte aber ihren Enthusiasmus immer dann, wenn sie das Gefühl hatte, zu überschwenglich zu werden. Wahrscheinlich tut sie nie etwas, ohne mit Leib und Seele dabei zu sein, dachte er. »Ich bin sicher, daß Sie beruflich erfolgreich sind; aber das läßt Ihnen nicht viel Zeit für andere Dinge, oder?«
    »Was für andere Dinge?«
    »Oh, das übliche. Einen Mann, die Kinder, ein Haus mit Garten.«
    »Vielleicht kommt das eines Tages noch; ich schließe es nicht aus.«
    »Aber bis jetzt hat es sich noch nicht ergeben.«
    »Nein. Einige Male war ich nahe davor, aber bis zur Heirat kam es nie.«
    »Wer ist Peter?«
    Das Lächeln verschwand. »Das hätte ich beinahe vergessen. Sie haben das Telegramm gelesen.«
    »Es tut mir leid.«
    »Das braucht es nicht.

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