Die Bourne-Identität
will ich dir unter diesen Umständen keine Last sein.«
»Auf das erste Anzeichen hin«, wiederholte Bourne und musterte sie. »Und wann und wo das ist, entscheide ich?«
»Wenn du magst. Meine Erfahrung in diesen Dingen ist beschränkt. Ich werde mich nicht mit dir streiten.«
Er ließ ihre Augen nicht los. Schließlich sagte er: »Warum tust du das? Du hast doch gerade selbst gesagt, daß wir zwei einigermaßen intelligente Leute sind, die der Hölle entkommen sind. Das ist wohl alles.«
Sie saß da, ohne sich zu bewegen. »Ich habe noch etwas gesagt; vielleicht hast du das vergessen. Vor vier Tagen hat mir ein Mann das Leben gerettet und dabei riskiert, selber getötet zu werden. Ich glaube an diesen Mann - mehr als er an sich selbst, denke ich.«
»Einverstanden«, sagte er und griff nach ihr. »Ich sollte es nicht sein, aber ich bin es. Ich brauche diesen Glauben an mich.«
»Jetzt darfst du mich unterbrechen«, sagte sie und kam zu ihm. »Liebe mich, es gibt auch Dinge, die ich brauche.«
Drei weitere Tage und Nächte verstrichen, erfüllt von wärmender Liebe und erregender Zärtlichkeit. Sie lebten mit der Intensität zweier Menschen, die wußten, daß sie schon bald nicht mehr so ausgiebig Zeit füreinander haben würden.
Der Rauch ihrer Zigaretten kräuselte sich über dem Tisch, vermischte sich mit dem Dampf des heißen, bitteren Kaffees. Der Concierge, ein munterer Schweizer, dessen Augen mehr registrierten, als seine Lippen von sich geben würden, war vor einigen Minuten gegangen, nachdem er das petit déjeuner und die Züricher Zeitungen in Englisch und Französisch gebracht hatte. Jason und Marie saßen einander gegenüber; beide hatten die Nachrichten überflogen.
»Steht in deiner etwas?« fragte Bourne.
»Chernak ist vorgestern begraben worden. Die Polizei hat immer noch keine konkrete Spur. >Ermittlungen dauern an<, heißt es hier.«
»Hier wird davon etwas ausführlicher berichtet«, sagte Jason und schob sich die Zeitung unbeholfen mit der bandagierten linken Hand zurecht.
»Was macht die Hand denn?« fragte Marie und betrachtete sie.
»Besser. Ich kann die Finger jetzt schon ein bißchen bewegen.«
»Ich weiß.«
»Du hast eine schmutzige Phantasie.« Er legte die Zeitung zusammen. »Hier schreiben sie, daß Patronenhülsen und die Blutspuren untersucht werden.« Bourne blickte auf. »Dann werden da noch Kleiderreste erwähnt.«
»Ist das ein Problem?«
»Für mich nicht. Ich habe meine Sachen in Marseille von der Stange gekauft. Wie steht es mit deinem Kleid? Hast du es anfertigen lassen oder im Laden gekauft?«
»Jetzt machst du mich verlegen. Alle meine Kleider werden von einer Frau in Ottawa geschneidert.«
»Dann kann man also den Hersteller und den Ort nicht feststellen.«
»Ich wüßte nicht, wie. Die Seide stammt von einem Ballen, den ein Beamter unserer Abteilung aus Hongkong einmal mitgebracht hat.«
»Hast du in den Geschäften im Hotel irgend etwas gekauft, das du vielleicht an dir hattest? Ein Halstuch vielleicht?«
»Nein. Ich mache selten solche Einkäufe.«
»Gut. Und man hat deiner Freundin keine Fragen gestellt, als sie auszog?«
»Nicht an der Rezeption, das habe ich dir bereits gesagt. Nur die zwei Männer, die du mit mir im Lift gesehen hast, haben sie angesprochen.«
»Die Männer von der französischen und der belgischen Delegation?«
»Ja. Alles lief bestens.«
»Wir wollen lieber noch einmal überlegen.«
»Da gibt es nichts zu überlegen. Paul - das war der aus Brüssel - hat nichts gesehen. Er wurde von seinem Stuhl zu Boden gestoßen und blieb dort liegen. Claude - er versuchte uns aufzuhalten, erinnerst du dich? - dachte zuerst, ich wäre das auf der Bühne im Scheinwerferlicht gewesen; aber ehe er zur Polizei gehen konnte, hatte er sich in dem Gedränge verletzt und wurde zu einem Arzt gebracht.«
»Und bis er etwas hätte sagen können«, unterbrach Jason sie, »war er nicht mehr sicher.«
»Ja. Aber ich habe so das Gefühl, daß er erkannt hat, weshalb ich bei der Konferenz zugegen war; meine Anwesenheit konnte ihn eigentlich nicht täuschen. Und wenn das so war, so hat ihn das sicherlich in seiner Entscheidung bestärkt, sich herauszuhalten.«
Bourne griff nach seiner Tasse.
»Laß mich das noch einmal wiederholen«, sagte er. »Du warst in Zürich, um ... «
»Nun ja, eher Andeutungen solcher Bündnisse. Niemand wird sich hinstellen und offen eingestehen, daß es potente Finanzkreise in seinem Land gibt, die sich den Zugang zu
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