Die Bourne-Identität
wie die Empfangsdame aufblickte.
»Ja? Kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Monsieur d'Amarcourt, bitte.«
»Er hat leider gerade eine Besprechung, Madame. Sind Sie mit ihm verabredet?«
»Natürlich«, sagte Marie und klappte ihre Handtasche auf.
Die Sekretärin blickte auf den Terminkalender, der vor ihr auf dem Schreibtisch lag. »Für diese Uhrzeit habe ich niemanden eingetragen. Das muß ein Irrtum sein.«
»Oh, richtig!« rief die verwirrte Kundin der Valois-Bank aus. »Ich habe mich im Tag geirrt. Erst morgen ist ja die Verabredung. Es tut mir schrecklich leid!«
Sie machte kehrt und ging schnell wieder zurück in den Korridor.
Sie hatte gesehen, was sie sehen wollte. Auf d'Amacourts Telefon leuchtete ein einziger Knopf; ohne sich von seiner Sekretärin verbinden zu lassen, hatte er direkt eine auswärtige Nummer angewählt. Das Konto, das Jason Bourne gehörte, war mit ganz speziellen, vertraulichen Instruktionen versehen, die dem Kontoinhaber nicht mitgeteilt werden durften.
Im Schatten der Markise sah Bourne auf die Uhr; es war zehn vor drei. Marie würde jetzt wieder vor dem Münzapparat im Foyer der Bank warten. Die nächsten paar Minuten würden ihnen die Antwort liefern; vielleicht kannte sie sie bereits.
Von seinem Platz aus hatte er den Eingang der Bank im Blick. Er holte ein Päckchen Zigaretten heraus, zündete sich eine an und schaute erneut auf die Uhr: Acht Minuten vor drei.
Und dann sah er sie, die drei gutgekleideten Männer, die schnell die Rue Madeleine heraufkamen und dabei miteinander sprachen, die Augen aber geradewegs nach vorn gerichtet. Sie überholten die langsameren Fußgänger vor ihnen, entschuldigten sich mit einer Höflichkeit, die eigentlich nicht nach Paris paßte. Jason konzentrierte sich auf den Mann in der Mitte. Das war er. Ein Mann namens Johann.
Sagen Sie Johann, daß er hineingehen soll. Wir kommen dann zurück. Ein hochgewachsener, hagerer Mann mit einer goldgeränderten Brille hatte diese Worte in der Brauerstraße gesprochen. Johann - sie hatten ihn aus Zürich hierher geschickt; er hatte Jason Bourne gesehen und könnte ihn wiedererkennen. Daraus schloß er, daß es keine Fotografien von ihm gab.
Die drei Männer erreichten den Eingang der Bank. Johann und der Mann zu seiner Rechten gingen hinein; der dritte Mann blieb draußen stehen. Bourne eilte zu der Telefonzelle zurück; er würde vier Minuten warten und dann Antoine d'Amacourt ein letztes Mal anrufen.
»La Banque de Valois. Bonjour.«
Zehn Sekunden später war d' Amacourt am Apparat. Seine Stimme klang gequält. »Sind Sie es, Monsieur Bourne? Ich dachte, Sie hätten gesagt, Sie wären zu meinem Büro unterwegs.«
»Ich habe meine Pläne geändert, tut mir leid. Ich muß Sie morgen anrufen.« Jason beobachtete durch die Glastür, wie ein Wagen vor der Bank hielt. Der dritte Mann, der sich neben dem Eingang postiert hatte, nickte dem Fahrer zu.
»... ich tun kann?« D'Amacourt hatte eine Frage gestellt.
»Wie bitte?«
»Ich habe gefragt, ob ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann? Ich habe Ihr Konto; alles ist hier für Sie bereit.«
Sicher ist es das, dachte Bourne.
»Hören Sie, ich muß heute nachmittag nach London fliegen, morgen bin ich wieder zurück. Dann werde ich Sie sofort aufsuchen.«
»Nach London, Monsieur?«
»Ich rufe Sie morgen an. Ich muß rasch ein Taxi nach Orly finden.«
Er legte auf und beobachtete den Eingang der Bank. Weniger als eine Minute später kamen Johann und sein Begleiter herausgerannt; sie sprachen mit dem dritten Mann, dann stiegen alle drei in die wartende Limousine. Ihr Ziel war klar: Flughafen Orly. Jason merkte sich die Nummer auf dem Zulassungsschild und wählte dann sein nächstes Gespräch. Wenn der Telefonautomat in der Bank nicht benutzt wurde, würde Marie sofort beim ersten Klingeln abnehmen. Das tat sie auch. »Ja?«
»Hast du etwas gesehen?«
»Eine ganze Menge. D'Amacourt ist dein Mann.«
12.
Sie gingen im Laden herum, von einem Tresen zum anderen. Marie blieb in der Nähe des breiten Schaufensters und behielt den Eingang der Bank auf der anderen Seite der Rue Madeleine im Auge.
»Ich habe zwei Halstücher für dich ausgesucht«, sagte Bourne.
»Das solltest du nicht. Die Preise sind viel zu hoch.«
»Es ist fast vier Uhr. Wenn er bis jetzt noch nicht herausgekommen ist, dann verläßt er die Bank bestimmt nicht vor Büroschluß.«
»Wahrscheinlich nicht. Wenn er vorzeitig hätte weggehen wollen, um sich mit irgend jemandem zu
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