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Die Brandungswelle

Die Brandungswelle

Titel: Die Brandungswelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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einige waren von einem Erwachsenen gemacht.
    »Lilis Mutter hat erzählt, dass sie nachts manchmal Licht hinter den Fenstern gesehen hat.«
    »Kann sein … Der Gärtner hat hin und wieder nach dem Rechten gesehen, aber er konnte sich nicht um alles kümmern. Im Nebenzimmer hat eine ganze Siebenschläferfamilie gehaust … Da, wo Sie wohnen, sind Sie fast schon im Meer!«
    »Ja, fast …«, antwortete ich.
    Ich sah mir noch mehr Zeichnungen an. Auf manchen stand sein Name, ich zeigte sie ihm.
    Er nickte.
    Die Zeichnungen, die ich mir ansah, legte ich auf den Tisch. Dann nahm ich mir andere aus der Kiste. Die Zeit hatte das Papier vergilbt, aber die Farben waren noch lebendig.
    »Warum sind Ihre Eltern eigentlich hier begraben, wo sie doch in Paris wohnten?«
    »Eine Tante von mir hat sich um alles gekümmert. Ich glaube, sie hat gedacht, dass sie gern da bleiben wollten, wo Paul war.«
    Ich sah ihn an, eine Zeichnung in der Hand.
    Wer hatte ihm geholfen, groß zu werden? Nach wie vielen
Schreien und Tränen war der Schmerz endlich verflogen und sein Leben wieder erträglich geworden? Ich betrachtete ihn weiter, und plötzlich gab es diesen vertrauten Moment, in dem er mir nicht mehr fremd war. Das machte mir Angst. Heftige Angst. Ich wollte vor ihm fliehen.
    »Letzte Nacht war der Himmel so schwarz, dass die Sterne an mein Fenster zu stoßen schienen. Wenn ich die Hand ausgestreckt hätte, hätte ich sie anfassen können.«
    Ich dachte an dich.
    Unsere Blicke trafen sich.
    Ich wandte mich nicht ab.
    Die meisten Zeichnungen waren von ihm, auf anderen Blättern sah man das ziellose Gekritzel eines kleinen Kindes.
    Jede Zeichnung war datiert.
    »Wollen Sie mich immer noch nicht zum alten Théo begleiten?«
    »Ist das eine Obsession?«
    Er lächelte.
    »Théo ist nicht einfach, man geht nicht nur mal so zu ihm.«
    »Aber Sie sind doch auch einfach hingegangen?«
    »Ich kümmere mich schließlich um die Vögel.«
    »Na und?«
    »Früher war das seine Aufgabe, deswegen hatten wir beim ersten Mal ein Thema, über das wir reden konnten.«
    Er nahm meinen Teller und stellte ihn auf seinen.
    »Es ist nicht zwar dasselbe, aber auch ich habe ein Thema, über das wir sprechen könnten.«
    »Gehen Sie allein zu ihm.«
    Er stellte die Teller in die Spüle.
    »Das werde ich bestimmt tun. Ich will, dass er mir sagt, dass er den Scheinwerfer ausgeschaltet hat.«
    »Was hilft es Ihnen, das zu wissen?«

    Er lehnte sich an die Spüle, die Arme verschränkt.
    »Nehmen Sie ihn in Schutz?«
    »Darum geht es nicht …«
    Er lächelte schwach.
    »Ich habe auch ein Problem mit Max.«
    Er sagte es im gleichen ruhigen Ton.
    »Niemand hat Probleme mit Max.«
    Er nickte.
    »Ich schon.«
    »Ist es wegen der Ranunkeln? Max hat immer Blumen geklaut, und er wird es wieder tun. Alle hier wissen es, deswegen müssen Sie kein Fass aufmachen.«
    »Es geht nicht um die Ranunkeln.«
    »Worum dann?«
    Er kam zum Tisch zurück, zündete sich eine Zigarette an.
    »Das Medaillon meines Bruders, das auf dem Grab lag … Es ist verschwunden.«
    Er warf das Streichholz ins Feuer.
    Ich durfte nicht zulassen, dass er das glaubte.
    »Max nimmt Blumen, aber sonst nichts!«
    Er zögerte einen Moment und sagte dann: »Ich möchte nur das Foto wiederfinden …«
    Sein Gesicht, in diesem Moment, ich hätte es gern im Licht gesehen.
    »Ihr Gesicht …«, sagte ich.
    Er strich mit der Hand darüber, um die Schatten zu vertreiben. Seine Hand lag auf seinem Mund, auf diesen bedächtigen Lippen.
     
    Lambert hatte Nans an das Fenster gepresste Gesicht gesehen. Ich konnte spüren, wie er verkrampfte.
    »Entschuldigen Sie …«

    Er ging hinaus und kam gleich darauf mit Nan am Arm zurück. Er zog einen Stuhl heran und ließ sie sich hinsetzen.
    »Ich mache Kaffee, ist das recht?«
    Das sagte er. Nan lächelte. Sie legte ihre Hände in den Schoß und blieb sitzen, die Augen auf Lambert geheftet. Sie folgten jeder seiner Bewegungen. Es war erstaunlich, ihr dabei zuzusehen.
    Sie wirkte ruhig.
    »Trinken Sie, solange er warm ist.« Er stellte eine Tasse vor sie hin.
    Sie sah die Tasse an, den dampfenden Kaffee.
    Er setzte sich ihr gegenüber.
    »Ich bin nicht der Mann, den Sie suchen …«
    Er erklärte ihr lange, wer er war und warum er da war.
    Nan achtete sehr aufmerksam auf seine Lippen, den Klang seiner Stimme, aber sie hörte ihm nicht zu. Als er es merkte, hörte er auf zu sprechen.
    In der Stille lächelte Nan.
    »Michel …«, sagte sie.
    Er sah sich verwirrt um

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