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Die Brandungswelle

Die Brandungswelle

Titel: Die Brandungswelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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den Boden.
    Lambert und ich sahen uns an, wir liefen an der Mauer entlang. Zu ihm. Stecknadelkopfgroße Schnecken klebten zu Dutzenden an den Steinen rund um die Tür.
    Der Schlüssel steckte im Schloss.
    Die Küche hatte eine niedrige Decke mit dunklen Balken, in der Mitte stand ein Bauerntisch. Dort legte er die Eier ab.
    Er wühlte in den Schränken, holte schließlich eine Pfanne hervor, dann eine Flasche Öl aus einem Karton auf einem niedrigen Regal neben der Spüle.
    Er erzählte mir, dass das Haus im letzten Sommer zwei Monate vermietet gewesen war und auch während der Ferien zu Allerheiligen.
    Er schlug am Rand der Spüle ein Ei auf.
    »2000 konnte ich es sogar für ein ganzes Jahr vermieten, an einen Pariser Schriftsteller.«
    Im Kamin vibrierte noch die Glut. In einer Kiste davor gab
es Holz. Ich legte ein paar Scheite und Papier nach, das Feuer flammte wieder auf. Ein dicker dunkler Balken über der Feuerstelle diente als Sims. Reste von roter Farbe hatten sich in das Holz gefressen. Darin eingraviert das Datum 1823, das Jahr der siebenundzwanzig Schiffbrüche. Viele Dächer im Dorf waren aus dem Holz der Schiffe gebaut worden, die in jenem Jahr gestrandet waren.
    Ich ging zum Fenster. Spinnen mit langen, sehr dünnen Beinen hatten ihre Netze zwischen den Holzrahmen gewebt. Bienen mit schwerem Bauch waren in diesen Netzen gefangen. Schon lange tot und inzwischen ausgetrocknet.
    Als ich aus dem Fenster blickte, sah ich die alte Nan auf der Straße stehen. Ihre Hände umklammerten den Zaun, sie beobachtete das Haus. Einen Moment später war sie verschwunden.
    Ich stellte zwei Teller auf den Tisch.
    »Monsieur Anselme sagt, der Geschirrschrank stamme von einem Schiffbruch.«
    Lambert nickte.
    »Ich habe davon gehört. Dem von Sir irgendwie …«
    »Sir John Kepper.«
    Er drehte die Flamme unter der Pfanne aus.
    »Wir bräuchten Brot, aber wir haben keins. Wir haben auch keinen Wein!«
    Er warf einen Blick nach draußen, zu Lilis Terrasse.
    »Sie könnten rübergehen und um zwei Gläser bitten …«
    »Könnte ich, ja …«
    »Aber Sie machen es nicht?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Nein, ich mache es nicht.«
    Darüber musste er lachen.
    Er ließ das Omelette auf die Teller gleiten und wühlte auf der Suche nach irgendwas, das als Brot herhalten könnte, im Karton.
Schließlich holte er eine Packung Gebäck heraus und sah mich fragend an. Es waren Figolus.
    Wir aßen die Eier lieber ohne alles.
    Er zeigte mir die Sachen um uns herum:
    Zwei kleine Schwäne aus rotem Porzellan, die als Salzstreuer dienten.
    »Manche Sachen sind verschwunden … Die Teller aus dem Geschirrschrank … Sie wurden durch andere ersetzt. Aber die beiden Schwäne gab es schon zu Zeiten meiner Eltern.«
    Wir aßen das Omelette und betrachteten die Porzellanschwäne.
    »Nächstes Mal mache ich Ihnen Seeohren, die werden mir besser gelingen.«
    Er erzählte mir, dass er mit seinen Eltern in Paris gelebt hatte. Sie hatten einen Renault 4L besessen, und wenn sie nach La Hague gefahren waren, hatte sein Vater die Koffer auf dem Dach festgemacht. Sie hatten immer in Jumièges Pause gemacht, im Winter wie im Sommer, dort waren sie dann eine Stunde in den Ruinen spazieren gegangen, bevor sie weiterfuhren. Im Winter war das Kloster stets geschlossen, sie waren trotzdem spazieren gegangen.
    »Ich war gern in den Ferien hier. Sobald wir ankamen, machten wir die Fensterläden auf und gingen runter zum Meer.«
    Er lächelte bei diesen Bildern.
    »Es waren endlose Ferien, vor allem im Sommer, wir verbrachten zwei Monate hier, und wir dachten nie an das Ende der Ferien … Bis zu dem Tag, wo wir meine Mutter die Koffer hervorholen sahen. Wir mussten alles aufräumen und die Betten abziehen, und mein Vater schloss die Fensterläden. Auf der Rückfahrt sangen wir nicht und machten einen Bogen um Jumièges.«
    Er zeigte mir eine Kiste, die an der Wand auf dem Boden stand.

    »Sehen Sie mal, was ich gefunden habe!«
    Es waren Zeichnungen.
    »Wenn es regnete, hat meine Mutter mit uns gezeichnet. Es hat oft geregnet, deswegen sind es so viele Zeichnungen.«
    Daraufhin schwieg er eine Weile, dann sagte er: »Ich weiß noch, wie sie sich über den Tisch gebeugt hat, um zu zeichnen.«
    Als ich die Kiste holte und wieder zum Tisch kam, sah ich Nans Gesicht hinter dem Fenster. Sie war zurückgekommen.
    Ich stellte die Kiste auf den Tisch und nahm ein paar Zeichnungen heraus. Lambert hatte Recht, es waren viele.
    Die meisten waren Kinderzeichnungen, aber

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