Die braune Rose
ist also gar nichts passiert.«
»Wenn du gar nichts nennst, daß unser Sohn auf ein Mädchen schießt in der Absicht, sie und hinterher sich zu töten … allerdings, dann ist eigentlich überhaupt nichts passiert.«
»Sie hat ihn dazu verführt!« rief Erika grell. »Bert würde nie so etwas tun. Sie hat ihn verhext, diese schwarze, verfluchte Hure!«
Das war der Augenblick, der Arnold Schumacher vierundzwanzig Jahre nachholen ließ. Er riß Erika von ihrem Fellstuhl, beutelte sie kräftig durch und gab ihr die erste Ohrfeige ihrer Ehe. Mit einem Aufschrei floh sie vor ihm durch das große Schlafzimmer.
»Rohling!« schrie sie. »Miststück! Du schlägst mich! Du Proletarier! Ich lasse mich scheiden! Endlich habe ich einen Grund! Mißhandlung! Das kostet dich etwas! Das macht dich fertig!«
»Es hat mir gutgetan«, sagte Schumacher und rieb die Hände aneinander, als staube er sie ab. »Ich habe nie verstanden, wie man als Mann eine Frau schlagen kann. Ich habe solche Männer zutiefst verachtet, jetzt bin ich fast glücklich, dir diese Ohrfeige gegeben zu haben.«
»Du Schuft! Du … du …« Plötzlich weinte sie wieder, setzte sich ins Bett und drückte das Kissen gegen ihren üppigen Körper. »Und ich habe dich geliebt … ich habe dich wirklich geliebt. Aber nie, nie hast du mich verstanden. Immer nur Möbel, Holzsorten, Furniere, Export, neue Modelle, Ausstellungen … ich war mein ganzes Leben allein. Ich habe eine Holzsorte geheiratet, sonst nichts.«
Arnold Schumacher lehnte sich schweratmend gegen das Fenster. Sie hat recht, dachte er erschrocken. Sie hat tatsächlich recht. Ich habe sie hingenommen wie ein Möbelstück. Sie war einfach da, und weiter nichts. Was weiß ich von ihr, als das, daß sie die Mutter meines Sohnes ist?
»Komm, steh auf und zieh dich an«, sagte er leise. »Bert wartet auf uns … auf dich.«
»Und – und das Mädchen?«
»Es liegt in der Universitätsklinik und ist außer Lebensgefahr. Wir werden nach dem Gefängnis zu ihr fahren.«
Erika Schumacher nickte. Sie rutschte vom Bett und begann, sich mit zitternden Fingern anzuziehen. Ihre linke Backenseite war rot und etwas geschwollen. Sie brauchte viel Puder und Make-up, um diesen Fleck zu überdecken.
In der Stadt kaufte sie sogar einen großen Blumenstrauß. Schumacher schüttelte den Kopf.
»Im Gefängnis gibt es keine Blumen.«
»Sie sind für das Krankenhaus«, sagte Erika leise.
Schumacher schwieg darauf. Irgendwie war er trotz aller Sorgen glücklich. Es war ihm, als sei Erika wieder fünfundzwanzig Jahre jünger und so weich und begehrlich wie damals.
*
Eine etwas ähnliche Szene spielte sich auch im Hause Ernst Pachtners ab. Der Anruf Schumachers warf ihn aus dem Sessel, und bevor er um nähere Erklärungen bitten konnte, hatte Schumacher eingehängt. So blieb die Frage unbeantwortet, ob Berts Schuß Harriet-Rose getötet hatte und er selbst schwerverletzt war. Für Pachtner waren diese Fragen im Augenblick auch von minderer Bedeutung. Die Abwendung eines allgemeinen Skandals, in dem ein Haufen schmutziger Wäsche gewaschen würde, war ihm vordringlicher.
Wie Schumacher fuhr er sofort nach Hause und traf Heidi in Gesellschaft eines jungen Mannes an, der es sich auf der Couch bequem gemacht hatte und sich offensichtlich wohl und häuslich fühlte. Das Erscheinen Pachtners war deshalb wie ein Gewitter mit Blitz und Donner.
»Paps!« rief Heidi erschrocken. »Was machst denn du so früh hier? Ich habe dich gar nicht erwartet.«
»Das sehe ich.« Pachtner musterte den Jüngling, der sich von der Couch erhoben hatte, seinen Rock anzog und verlegen herumstand. »Wer ist dieser Säugling?«
»Freiherr von Potting«, sagte der junge Mann und verbeugte sich ungelenk. »Ich habe die Ehre, einer der Tennispartner Ihres Fräulein Tochter zu sein und –«
»Das berechtigt Sie nicht, andere Partnerschaften abzuleiten!« schrie Pachtner.
»Aber Paps!« sagte Heidi tadelnd.
»Hinaus!« Pachtner riß die Tür auf. »Herr Baron – als Sportler lieben Sie die frische Luft!«
Mit hochrotem Kopf stürzte der junge Freiherr hinaus. Heidi biß die Lippen zusammen und warf den goldgelockten Kopf trotzig in den Nacken.
»Du benimmst dich wieder, Paps –«, sagte sie arrogant. Pachtner senkte wie ein angreifender Stier den Kopf.
»Ich denke, du bist verlobt?«
»Das dachte ich auch. Aber wo ist mein Bräutigam? Soll ich ihm nachlaufen? Einmal habe ich das getan.«
»Angeboten wie eine Dirne hast du dich, jawohl!
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