Die Braut aus den Highlands
âMir ist, als sei ich erst gerade aufgewacht, nicht eher.â
Una bedachte dies kurz. âVielleicht seid Ihr auch gar nicht aufgewacht. Womöglich hat er Euch einfach vom Bett aufgehoben, sodass sie das Laken nehmen konnten, und hat Euch dann wieder abgelegt, damit Ihr weiterschlafen konntet.â
Ob dieser Erklärung hob Merry die Brauen. Wahrscheinlich, so nahm sie an, hatte es sich tatsächlich so zugetragen, ansonsten müsste sie eine Erinnerung an das Geschehene haben, und sei es auch nur eine schlaftrunkene, unscharfe. Das jedoch bedeutete, dass ihr Gemahl sich so rücksichtsvoll und anständig verhalten hatte, wie sie es gemeinhin nicht von Trunkenbolden erwartete. Deren Handeln war zumeist selbstsüchtig und gedankenlos. So zumindest war es ihr bislang erschienen. Obgleich sich auch ihr Vater und ihre Brüder gelegentlich, wenn sie nüchtern waren, von einer so gefälligen Seite zeigen konnten, dass es Merry schier überrumpelte.
Sie wischte die Angelegenheit beiseite, schritt zum Zuber und beugte sich vor, um das Wasser zu prüfen. Es war angenehm, und so stieg sie vorsichtig über den Rand. Die Bewegung zerrte an dem Schnitt, und Merry verzog das Gesicht. In dem Wissen, dass das parfümierte Wasser wahrscheinlich in der Wunde brennen würde, atmete sie tief durch und wappnete sich. Dennoch sog sie scharf die Luft ein, als sie sich setzte und das Nass ihre Beine umspülte, denn das Stechen war noch schlimmer, als sie befürchtet hatte. Sie biss die Zähne zusammen, schloss die Augen gegen die Tränen, die ihr kamen, und wartete darauf, dass der Schmerz abebbte.
Als Una neben ihr besorgt schnalzte, schlug sie die Augen jedoch wieder auf.
âWas habt Ihr Euch da nur angetan, Mädchen? Das Wasser ist ganz blutig. Stellt Euch hin.â
Merry sah hinab. In der Tat trieben rote Schlieren im Bad, und diese kamen von ihrem rechten Oberschenkel. Sie schnitt eine Grimasse und erhob sich, um Una die Verletzung begutachten zu lassen.
âBei allen Heiligen, was hattet Ihr vor? Euch das Bein abzuschneiden?â
âSo schlimm ist es gar nichtâ, erwiderte Merry gereizt, denn in Wahrheit tat es arg weh, so wie es geschmerzt hatte aufzustehen â gar nicht davon zu reden, wie quälend es brennen würde, sich wieder ins Wasser zu setzen. Zudem hatte sie sich ja gar nicht so tief schneiden wollen, doch es war nun einmal geschehen, und nun fühlte sie sich zu allem Ãberfluss auch noch töricht angesichts der Erkenntnis, dass dieser zweite Schnitt nicht einmal notwendig gewesen wäre.
Kopfschüttelnd hieà die Magd sie, sich wieder niederzulassen.
Also lieà Merry sich zurück in den Zuber sinken, die Zähne fest zusammengebissen gegen die Pein, die erneut aufflammte, als das Badewasser sie umfloss.
Una betrachtete sie einen Moment schweigend. âIch frage mich, was Euer Gemahl wohl gedacht hat, als er heute Morgen all das Blut gesehen hatâ, sinnierte sie. âGlaubt er vielleicht, er hätte die Ehe besiegelt? Oder weià er, dass er es nicht getan hat, und hat herausgefunden, dass Ihr für den Fleck auf dem Laken gesorgt habt?â
âDas weià ich nichtâ, entgegnete Merry und seufzte, als das Ziehen endlich nachlieÃ.
âIch denke, er glaubt, dass er es warâ, schloss Una. âJedenfalls blickte er recht schuldbewusst drein, als er mich anwies, Euch ruhen zu lassen und ein Bad für Euch zu richten, wenn Ihr aufwacht.â
Merry bedachte diese Möglichkeit und fühlte dabei selbst ein Hauch von schlechtem Gewissen, zuckte aber schlieÃlich nur mit den Schultern. âAuch gut. Vielleicht legt er es seinem Rausch zur Last und trinkt künftig weniger, wenn er vorhat, mich anzurühren.â
Una brummte nur. âIch war von Anfang an nicht glücklich darüber, nach England zu gehenâ, meinte sie unwirsch. âAber als wir alle sahen, in welchem Zustand sich der Mann befand, den Ihr heiraten solltet â wahrlich, da hätte ich Euch fast bei der Hand genommen und zurück zu den Pferden gezerrt. Es ist kaum zu glauben, dass Gott und das Schicksal tatsächlich so grausam sind, Euch von der Seite Eures ewig trunkenen Vaters an die eines ewig trunkenen Ehemanns zu stellen.â
â Aye â, erwiderte Merry leise seufzend.
âWir können nur hoffen, dass die Fügung einen Plan damit verfolgt und der Mann Euch den Gefallen tut, sich
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