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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Mannschaft ist vollzählig, wie du siehst«, sagte der Kahlkopf.
    Abzüglich des jungen Burschen, der vor meinen Augen gestorben ist, dachte Lorenzo, aber den hast du vielleicht schon vergessen. »Ich hätte Enrico liegen lassen sollen, als der Bolzen runterkam, dann hättest du jetzt Ersatzbedarf«, sagte er stattdessen.
    »Warum hast du’s nicht getan?«
    »Ein Feind, den man kennt, ist mehr wert als tausend falsche Freunde.«
    Der Kahlkopf nickte. Dann zersplitterte sein schmales Gesicht in Hunderte von Lachfalten. Er hielt Lorenzo seine offene rechte Hand hin. »Der Neue ist immer der Trottel der Kompanie, das ist dir hoffentlich klar.«
    Lorenzo ließ die Hand vor sich in der Luft hängen. »Derjenige, der vor mir der Neue war, wird diesen Titel noch ein wenig behalten müssen.«
    »Das musst du mit ihm selbst ausmachen.«
    »Wer ist es?«
    »Glaubst du, du kannst den Trottel der Kompanie nicht selbst ausfindig machen?«
    »Manchmal bewerben sich mehrere darum.«
    Der Kahlkopf sah auf seine Hand hinunter. Lorenzo wusste, dass er den Bogen nicht überspannen durfte. Er setzte ein Lächeln auf, packte die Hand des Kahlkopfs und drückte sie. »Ich bin Lorenzo.«
    »Ich bin Corto.«
    Lorenzo ließ die Hand, die er ergriffen hatte, nicht los. »Wo ist mein Stiefel, Corto?«
    Der Kahlkopf sah ihn überrascht an. Dann begann er laut zu lachen.
    Diesen Augenblick nutzte der Kastrat für seinen Fluchtversuch.

Kapitel 13.
    D er dickliche Bursche pflügte durch das hohe Gras. Lorenzo meinte, seinen pfeifenden Atem selbst auf die Entfernung zu hören. Einer von Cortos Männern taumelte ihm hinterher, stolperte und fiel, versuchte aufzustehen und fiel erneut auf den Boden, wo er liegen blieb, sich zusammenrollte und mit beiden Händen seinen Kopf umklammerte. Die stämmigen Beine des Fliehenden pumpten und wirbelten Schleier aus Grassamen und Fetzen von Halmen, Samenständen und Erdreich auf, die ihn als eine im Frühmorgenlicht golden schimmernde Wolke begleiteten und in seiner Spur einen träge sinkenden Streif bildeten wie das Kielwasser, das sich hinter einer im Sechserschlag hektisch rudernden Galeere nur widerwillig beruhigt. Die paddelnden Arme machten den Eindruck der Galeere vollständig, wenngleich Lorenzo mit Galeeren nur die Erinnerung an elegante, schlanke Umrisse verband. Der Mann rannte in gerader Linie vom Lager Cortos davon, ohne dass ersichtlich gewesen wäre, ob er auch nur den Hauch einer Ahnung hatte, wohin er überhaupt fliehen wollte; eine in zweihundert Pfund Fleisch körperlich gewordene Form der Panik, die schnurstracks von einem bestimmten Punkt fortstrebte, ausschließlich vom Willen beseelt, so schnell wie möglich so viel Distanz wie möglich zwischen sich und ihren Ausgangsort zu bringen, getrieben von der falschen Gewissheit, dass dazu eine exakte Gerade notwendig war. Er mähte einen Strich ins Gras, mit dem ein römischer Landvermesser eine neue Straße hätte planen können, die ohne die geringste Kurve bis hinter den Horizont führte.
    »Haltet das Arschloch auf!«, rief Corto.
    Der Flüchtling drehte sich im Laufen um und produzierte eine gespannte Armbrust. Jetzt hörte Lorenzo ihn wirklich stöhnen. Er stolperte seitwärts im Krebsgang, fiel wie durch ein Wunder nicht hin, peilte wild schwankend die Gruppe Männer mit Corto und Lorenzo an und drückte ab. Der Bolzen schwirrte davon, Cortos Männer sprangen auseinander, obwohl sie damit den in ihrer Mitte stehenden Anführer entblößten; Corto und Lorenzo wechselten einen Blick, dann blieben beide regungslos stehen, und der Bolzen flog harmlos an ihnen vorbei und schlitterte über den niedergetretenen Boden.
    Weitere Sehnen knallten gegen die Schäfte, ein halbes Dutzend Armbrustbolzen machte sich in die Gegenrichtung auf. Der Flüchtling warf seine Waffe fort und versuchte, noch schneller zu rennen. Die Bolzen gingen hinter ihm nieder; die Entfernung war schon zu groß.
    Corto bückte sich und hob seinen Bogen auf. Lorenzo sah ihm überrascht zu, wie er mit blitzartigen Bewegungen das Ende mit der dort festgemachten Sehne auf den Boden stellte, den Bogen scheinbar ohne Kraftanstrengung zusammendrückte, das andere Ende der Sehne einhängte und einen Pfeil einlegte, alles innerhalb eines Herzschlags. Dann spannte Corto die Sehne; der Bogen knackte. Er warf Lorenzo einen Seitenblick zu.
    »Noch zweihundert Schritte, dann kann er nicht mehr«, sagte Lorenzo mit trockenem Mund. »Du brauchst ihn nur aufsammeln zu lassen.«
    »Du hast

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