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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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sollen. Schließlich fragte er: »Was für eine Rolle spielte der Kastrat?«
    »Der war ihr Gesangslehrer.« Corto zuckte mit den Schultern. »Wer schickt schon zwei Kinder mit einem fetten Gesangslehrer über Land in diesen Zeiten? Vermutlich ging es ihren Eltern wie mir – die waren froh, die beiden mal los zu sein.«
    Verruca trat an Corto und Lorenzo heran. Er war noch immer fahlgrün im Gesicht und roch nach Erbrochenem. »Bin wieder auf dem Damm, Corto«, sagte er, obwohl man klar sehen konnte, dass es nicht der Fall war. Corto musterte ihn.
    »Wenn das so ist, dann geh und löse Urso ab – und sieh zu, dass die Madonna ihr Pelzchen endgültig abtrocknet und sich wieder zu uns gesellt.«
    »Wie soll ich das denn machen, Corto?«
    »Keine Ahnung. Du bist doch wieder auf dem Damm, oder? Dann wird dir schon was einfallen.«
    Verruca stapfte zögernd los. Er ging mit Schlagseite; er war alles andere als auf dem Damm, und Corto wusste es so gut wie Lorenzo. Der kahlköpfige Mann sah dem jungen Burschen hinterher. »Ich denke, Verruca wird seinen Titel nicht an dich abgeben.«
    »Der Trottel der Kompanie?«
    Corto grinste und nickte. Das Grinsen war nicht bösartig, es war lediglich das eines Mannes, der seine Leute einschätzen konnte und wusste, was von wem zu erwarten war – und der, wenn er große Worte hörte, auch große Taten sehen wollte. Verruca war wieder auf dem Damm? Fein, dann sollte er auch eine Aufgabe bekommen. Lorenzo wusste plötzlich, dass Corto den jungen Burschen, hätte dieser ehrlich zugegeben, dass ihm elend zumute war, in Ruhe gelassen hätte.
    »Sieht so aus, als bliebe Verruca der schlimmste Teil erspart«, sagte Lorenzo und deutete mit dem Kopf in Richtung der Hecke. Sein Herz begann schneller zu schlagen, und er bemühte sich, so ruhig und gelassen wie möglich zu erscheinen.
    Begleitet von dem Mann namens Urso und einem ältlichen Kerl mit schlechter Haltung schritt Clarice Tintori durch das Gras. Bis sie heran war, wusste Lorenzo, warum Antonio Bandini nicht mit ihr zurechtgekommen war, warum Cortos Männer sie Madonna nannten und dass es an ein Wunder grenzen würde, wenn Corto sie bändigen konnte. Gleichzeitig dachte er an Clarices Bräutigam, Ser Domenico Bianchi junior, und er lächelte in sich hinein bei dem Gedanken, dass ein solches Wunder von dem jüngeren Bianchi niemals zu erwarten war. Der Mann würde innerhalb von Minuten seiner Braut aus der Hand fressen, und Ser Domenico Bianchi senior hätte Ruhe vor dem Genörgel seiner Frau, sobald Clarice im Haushalt der Bianchi eingezogen war, weil nämlich Beatrice Bianchi ihrer Schwiegertochter sofort den Krieg erklären und hinfort mit dem vergeblichen Bemühen beschäftigt sein würde, die Frau ihres Sohnes unterzubuttern … wenn es Lorenzo gelang, sie zu befreien und alles zum Guten zu wenden, was dem Gedankengang einiges von seiner Heiterkeit nahm. Lorenzo blickte von der heranschreitenden Gestalt zum ausdruckslosen Gesicht Cortos und zurück und fragte sich, ob Corto seinen Entschluss, den Hochzeitstreck zu überfallen, nicht bald von Herzen bereuen würde.
    Clarice war keine Schönheit, aber sie strahlte noch von Weitem die Selbstsicherheit einer Herzogin aus. Die Energie und die Überheblichkeit, die die Vorfahren der Tintori benötigt hatten, um aus dem Färbermilieu in die Kreise der respektablen Kaufleute zu gelangen, schienen in Clarice kulminiert zu sein. Sie trug ihr Haar gerade so hochgesteckt, dass man es nicht wirklich als frivol gelöst betrachten konnte, und das Schleierchen, das ihr Haupt umwehte, war gerade so dicht, dass man es nicht als unverschämt bezeichnen musste, wie eine unverheiratete Frau hier ihr Haar entblößte. Sie bewegte sich unter den Männern, die sie entführt hatten, als wären diese lediglich ein etwas rauerer Typ von Beschützern – Antonio Bandinis oder Lorenzos Männer in ungeschliffener Form. Lorenzo war beeindruckt von ihrer Unerschrockenheit.
    Clarice blieb vor Corto stehen und gab dessen Blick zurück, ohne mit der Wimper zu zucken. Corto lächelte.
    »Alles in Ordnung, principessa ?«, fragte er.
    Sie zuckte mit den Schultern. Corto gestikulierte in die Richtung, in die der Gesangslehrer der beiden Cantafini-Burschen zu fliehen versucht hatte. »Der Kastrat hat leider diese Welt verlassen müssen.«
    Sie starrte ihn unbewegt an. Corto fügte nach kurzem Zögern hinzu: »Das bedeutet, er hier wird ein Auge auf dich haben müssen.«
    Der ältliche Mann schrak zusammen und verzog

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