Die Braut des Herzogs (German Edition)
wollte.
»Unsinn!« rief Lady Marilla. »Der alte Herzog ist vor zwei Jahren gestorben. Der gegenwärtige Inhaber des Titels ist kaum über dreißig.«
»Wie sieht er denn aus?« wollte Sophia neugierig wissen. »Ist er vielleicht ein Wüstling? Hat er Vermögen? Ach, spanne uns doch nicht auf die Folter, bitte Marilla!«
»Der Herzog sieht sehr gut aus. Er ist großgewachsen und von sportlicher Statur. Zudem ist er ein Gentleman reinsten Wassers und keinesfalls ein Wüstling, wie du es zu nennen pflegst. Soviel ich weiß, machen ihm alle heiratsfähigen Mädchen der Hauptstadt schöne Augen. Er hat von seinem Vater erheblichen Grundbesitz geerbt. Und auch sein übriges Vermögen kann sich sehen lassen.«
»Und so ein Prachtstück will ausgerechnet Olivia heiraten?« rief die unverbesserliche Schwester ungläubig aus.
»Warum nicht?« fragte der Vater streng. »Deine Schwester mag zwar nicht mit den eleganten Erscheinungen der Londoner Gesellschaft konkurrieren können. Dafür ist sie jedoch bei weitem klüger als die meisten ihrer Geschlechtsgenossinnen. Sie ist hübsch, humorvoll und sehr tüchtig. Und das ist viel wichtiger als geziertes Gehabe, das du anscheinend für ausschlaggebend hältst.« Olivia war über die lobenden Worte ihres Vaters ebenso überrascht wie erfreut. »Danke, Papa«, sagte sie gerührt.
Sophia war für kurze Zeit zum Schweigen gebracht.
»Du kennst Seine Gnaden persönlich?« erkundigte sich nun seine Lordschaft an seine Gemahlin gewandt. »Hast du vielleicht eine Ahnung, was den Gentleman zu einem derart überraschenden Antrag bewogen haben konnte?«
»Nein, leider, mein Lieber. Ich habe Seine Gnaden seit fast zwei Jahren nicht mehr gesprochen. Darum sind mir seine Beweggründe nicht bekannt. Bist du ganz sicher, daß du Wellbrooks noch me gesehen hast, Olivia?«
»Ja, vollkommen sicher. Ich würde mich doch an einen Herzogerinnern können. Noch dazu, wenn er so attraktiv ist, wie du uns eben erzählt hast.«
Sophia hatte ihrer Schwester den Brief aus der Hand genommen.
»Hier steht, daß der Herzog am Montag der kommenden Woche zu uns kommen wird«, stellte sie begeistert fest. »Ein echter Herzog kommt uns besuchen!«
»Das ist ja wohl das mindeste, das man erwarten kann, wenn er deine Schwester zu ehelichen gedenkt«, meinte Seine Lordschaft gelassen.
»Das ist einen Tag bevor ich nach London aufbreche«, stellte Olivia fest. »Es ist gut, daß ich bis dahin noch einige Tage zum Nachdenken habe.« Sie überflog das Schreiben noch einmal. »Hier steht eindeutig: Miss Olivia Redbridge. Da ist doch jeder Irrtum ausgeschlossen, daß der Herzog jemanden anderen gemeint haben könnte, nicht wahr?«
Sie blickte sich etwas verloren um: »Bitte verlangt jetzt noch keine Entscheidung von mir. Ich bin ganz durcheinander, kaum imstande, einen klaren Gedanken zu fassen.«
»Aber natürlich, meine Liebe«, meinte der Vater und tätschelte beruhigend ihre Hand. »Bitte glaube mir, daß dich niemand zu einer Heirat drängen will, so vorteilhaft sie auch sein mag. Ich weiß, daß du in der Lage bist, deine eigenen Entscheidungen zu treffen. Wie auch immer sie ausfallen mag, wir werden sie respektieren. Wenn du deine Gedanken mit mir besprechen möchtest, ich stehe dir jederzeit zur Verfügung.«
In diesem Augenblick trat der Butler ein, um seinen Herrn davon in Kenntnis zu setzen, daß der Verwalter in der Bibliothek auf ihn wartete.
»Ich komme sofort«, sagte Lord Redbridge und erhob sich, »die Pflicht ruft.« Er küßte seine Frau liebevoll auf die Wange und folgte dem Butler in die Halle.
Sophia, die der Köchin versprochen hatte, ihr beim Kuchenbacken zu helfen, ging nun widerstrebend in Richtung Küche davon. Mit der strikten Ermahnung, keiner Menschenseele etwas von dem Antrag des Herzogs anzuvertrauen.
»Nun, meine Liebe«, unterbrach Lady Marilla das Schweigen, das nach dem Abgang von Vater und Sophia entstanden war. »Wenn du nun keine Lust mehr verspürst, mich auf meiner Besuchstour zu begleiten, kann ich das gut verstehen. Ich werde mich jedoch auf den Weg machen müssen.«
Olivia fuhr aus den Gedanken auf: »Nein, nein, Marilla«, sagte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Es hat keinen Sinn, zu Hause zu sitzen und zu grübeln. Natürlich begleite ich dich. Die frische Luft wird mir guttun. Außerdem finde ich die besten Lösungen, wenn ich nicht angestrengt über ein Problem nachdenke.« Sie hatte sich ebenfalls von der Tafel erhoben und öffnete ihrer
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