Die Braut des Kreuzfahrers
sodass man die flachen Dächer auch als Terrassen nutzen konnte. Oben in den Fenstern sah man hölzerne Einsätze, die bei aller Pracht der schönen Schnitzerei doch nichts anderes als Gefängnisgitter waren. Die Frauen der Muselmanen lebten in vollkommener Abgeschiedenheit, das wusste Tiessa inzwischen. Niemand durfte sie sehen als nur ihr Ehemann. Wenn sie – was selten geschah – auf die Straße gingen, pflegten sie ihre Gesichter zu verschleiern.
» Es ist groß « , bemerkte Beatrice, während sie den Blick über ihre zukünftige Wohnstätte schweifen ließ.
» Groß, aber hässlich « , sagte Yolanda.
» Gewiss ist es innen kostbar ausgestattet « , trösteten die Damen aus Burgund, die sich hier von Beatrice und Yolanda trennten. Ihre Ehemänner hatten weiter östlich im Viertel der Venezianer einen kleinen Palast requiriert, der – wie man ihnen gesagt hatte – nach den gehobenen Ansprüchen der Kaufleute aus der großen Handelsstadt eingerichtet war.
» Die Hauptsache ist, dass wir diese lästigen Schnepfen los sind « , bemerkte Yolanda in unbefangener Lautstärke, als die Burgunderinnen in Begleitung ihrer Ehemänner und einiger Knappen davonritten. Fast hätte es noch Streit um einen Maulesel gegeben, der nach Meinung der Damen aus Burgund in ihren Besitz gehörte. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass in dem Bündel auf seinem Rücken höchst eigenartige Dinge steckten, die keine der Burgunderinnen als ihr Eigentum erkannte. Kettenhemd, Helm und das kurze Schwert gehörten ganz unbestreitbar – Yolanda von Villeneuve.
Tiessa hatte sich beim Anblick der verblüfften burgundischen Damen das Lachen verkneifen müssen, jetzt spürte sie Yolandas Blick, der wohlwollend auf ihr ruhte.
» Dann wollen wir den Palast des Sultans mal in Besitz nehmen – schlimmer als im Zelt kann es eigentlich nicht werden! «
Sie wurden angenehm enttäuscht. Das Gebäude erwies sich als weiträumig und kühl, Teppiche bedeckten die steinernen Böden, niedrige, mit Polstern belegte Bänke luden zum Niederlegen und Ausruhen ein. In einem Innenhof befand sich ein quadratisches Wasserbecken, das allerdings fast ausgetrocknet war, umgeben von kleinen Orangenbäumchen und allerlei Topfpflanzen, die der Vorbesitzer offensichtlich liebevoll gepflegt hatte, denn sie waren trotz der Hitze von frischem Grün.
» Das sind Heilpflanzen « , vermutete Tiessa. » Wenn mir doch jemand ihre Namen nennen und mir sagen könnte, wie man sie anwendet. «
» Damit wir uns daran vergiften! « , meinte Beatrice skeptisch.
» Jede Heilpflanze kann auch ein Gift sein, wenn sie ein Unkundiger anwendet. «
» Was brauchen wir die Pflanzen der Sarazenen? Haben wir nicht eigene Heilmittel? «
» Man kann niemals genug davon kennen, Beatrice. Jede Pflanze wurde von Gott gemacht, um einer schlimmen Krankheit zu begegnen. So viele Krankheiten über uns Menschen herfallen – so viele Heilpflanzen hat der Herr uns geschenkt. Doch nur die Wissenden können die göttliche Gnade erkennen und sie anderen zuteilwerden lassen. «
Der Graf von Perche war schon vorgestern mit den Königen und den übrigen Rittern in die besiegte Stadt eingeritten, ein festlicher Zug bunt gekleideter Herren und zahlreicher Standartenträger, begleitet von Knappen und Fußkämpfern. Neben dem französischen König ritt der graubärtige Konrad von Montferrat, der König von Jerusalem. Im Gefolge von Richard Löwenherz befand sich der Ritter Guido von Lusignan, prächtig gekleidet und mit wehendem Blondhaar. Er passte recht gut zu seinem Gönner, dem englischen König, denn ebenso wie Löwenherz war auch der Lusignan ein impulsiver Draufgänger, der das Desaster von Hattin zu verantworten hatte, danach aber durch manche Heldentat die üble Scharte wieder auswetzen konnte. Dem Grafen von Perche war inmitten dieses Trubels nicht recht wohl gewesen, denn das Fieber hatte seinen Körper mehr geschwächt, als er geglaubt hatte. Der laute Ton der Trompeten drang ihm schmerzhaft wie spitze Pfeile ins Gehör. Doch er hatte sich tapfer auf seinem Pferd gehalten und sogar einige Worte mit seinem Lehnsherrn, dem französischen König, gewechselt. Philipp, der Rotrous Sohn noch aus Knappenzeiten kannte, hatte dafür gesorgt, dass man seinem Gefolgsmann aus dem Perche ein standesgemäßes Quartier zuwies, damit er sich in aller Ruhe von der Krankheit erholen konnte.
Als Tiessa nach dem Grafen fragte, erklärte ihr Bertran, sein Herr habe seit gestern das Gemach nicht verlassen. Er
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