Die Braut des Kreuzfahrers
waren einige Ritter aus dem Perche zu einem Umtrunk zusammengekommen. Es wurde laut gelacht, man trank auf den Sieg und auf die Befreiung des heiligen Jerusalem, die ganz sicher kurz bevorstand. Auch die Stimme des Grafen war zu hören, er schien von dem italienischen Wein getrunken zu haben, denn er stimmte ein Lied an, in das die anderen Männer grölend einfielen. Tiessa seufzte und nahm ihre Last wieder auf – wie es schien, war Gottlieb von Perche auf dem Weg der Genesung, sie konnte zufrieden sein.
Zwei Tage später zog sie mit einer Gruppe Frauen in die eroberte Stadt, in der die Kreuzritter bereits Quartier genommen hatten. Die adeligen Damen wurden von ihren Ehemännern, darunter Fulco von Villeneuve und Gilles von Chenet, geleitet. Zusätzlich schützte eine Reihe von Knappen und bewaffneten Kämpfern den Zug, denn es hieß, in den Straßen liefe noch allerlei Volk herum, dem man nicht trauen könne. Im Gefolge der adeligen Herrschaften trotteten zahlreiche Maulesel, auf die man Truhen und Bündel geschnallt hatte. Das Schlusslicht des Zuges bildeten Knechte und Mägde, beladen mit Gepäckstücken, die auf den Rücken der Maultiere keinen Platz mehr gefunden hatten. Unter ihnen war auch Tiessa.
Die adeligen Damen waren guten Mutes, sahen sich neugierig nach allen Seiten um und bedauerten nur, dass die Katapulte der Christen solche Schäden an den schönen Gebäuden angerichtet hatten.
» Sieh doch dieses bezaubernde Türmchen, meine Liebe. Welch wunderbaren Ausblick auf das Meer hätte man von dort aus haben können … «
Tiessa spürte zum wiederholten Mal, wie himmelweit ihr eigenes Denken und Fühlen von dem der adeligen Frauen entfernt war. Ihr war mehr als beklommen zumute, während man sich durch die Gassen der eroberten Stadt bewegte. Lag es daran, dass die Damen zu Pferd waren, während sie selbst zu Fuß gehen musste? Konnte es sein, dass man vom Sattel aus die Unordnung in den Gassen nicht wahrnahm, die Scherben eines kostbaren Glasgefäßes, den kleinen, mit Perlen besetzten Frauenschuh in der Gosse, den kläglichen Rest eines schön geschnitzten Tischleins, über das die Pferde hinwegstiegen? War es möglich, auch die hellroten Flecke auf einer steinernen Treppe und die zersplitterten Türflügel einiger Häuser zu übersehen? Muselmanische Familien kamen ihnen entgegen, drückten sich scheu an die Hauswände, um ihnen auszuweichen. Die älteren Kinder trugen nicht selten die jüngeren Geschwister, während die Frauen große Bündel schleppten. Darin war ihre gesamte Habe, die von den Knechten am Stadttor mitleidslos nach Wertgegenständen durchwühlt wurde. Es waren arme Schlucker muselmanischen Glaubens, denen man erlaubt hatte, die Stadt mit wenigen Habseligkeiten zu verlassen. Die wohlhabenden Sarazenen hatten zu bleiben, denn die Sieger wollten sich ihrer – nach altem Kriegsbrauch – als Geiseln gegen Sultan Saladin bedienen. Auch Saladins Kämpfer, die vor zwei Tagen die Stadt verlassen hatten, um sich in die Gefangenschaft der Sieger zu begeben, dienten den Christen als Unterpfand für die Erfüllung der Kapitulationsbedingungen.
» Es ist ein Jammer um diese mutigen Ritter – auch wenn sie Muselmanen sind « , fand Beatrice. » Sie haben tapfer gekämpft und sich dann doch ergeben müssen. Nun hat man sie zwischen die Befestigungsmauern gesperrt, und es heißt, sie seien an Händen und Füßen gebunden. «
» Was regst du dich auf? « , meinte eine der burgundischen Damen. » Es wird ihnen nichts geschehen, man wird sie gegen christliche Geiseln austauschen, die dieser Teufel Saladin gefangen hält. «
» Wie schrecklich muss es sein, in die Gefangenschaft der Heiden zu geraten « , stöhnte eine andere. » Es heißt, sie verkaufen jede Jungfrau und jeden Knaben in die Sklaverei. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste einem dieser brutalen Heiden zu Willen sein … «
» Behalte die Ruhe « , fiel Yolanda ihr in die Rede. » Dir kann so etwas nicht passieren, denn du bist schon lange keine Jungfrau mehr. «
Die edle Dame steckte ihren Schleier fester und bedachte Yolanda mit einem zornigen Blick.
» Du bist unmöglich, Yolanda von Villeneuve! Niemand kann verstehen, wie es die arme Beatrice so lange mit dir ausgehalten hat! «
Tiessa sah auf dem Gesicht ihrer Herrin jenen seltsamen Ausdruck, der Verbitterung, aber auch einen Anflug von Zufriedenheit widerspiegelte. Yolanda liebte es, andere vor den Kopf zu stoßen, weshalb das so war, hatte noch niemand genauer
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