Die Braut des Kreuzfahrers
sei wohlauf, schlafe jedoch viel, und wenn er aus dem Schlaf erwache, lese er in seinen Folianten. Irgendwelche Heilmittel, gleich ob Tränke oder Umschläge, benötige er nicht. Doch ließe er der Tochter seines Verwalters seinen Dank ausrichten.
Bertran überreichte ihr grinsend einen kleinen Lederbeutel, in dem sie drei goldene Besants fand. Ein wenig beklommen steckte sie den Beutel in ihren Ärmel – fast kam es ihr so vor, als wolle sich Gottfried mit diesem Geld von ihrer Pflege freikaufen. Gleich darauf schüttelte sie über sich selbst den Kopf – wie kam sie nur auf solch dumme Gedanken? Es musste daran liegen, dass es ihr gefallen hatte, den Grafen von Perche zu pflegen. Er gefiel ihr überhaupt, dieser seltsame Mensch, der in Büchern las und solch verrücktes Zeug während seiner Fieberträume geredet hatte. Wie schade, dass sein Gesicht von den Blatternarben entstellt war, denn sein Leib war wohlgestaltet, die Glieder gerade gewachsen, schlank und sehnig, von den ritterlichen Übungen gekräftigt. Zudem war er groß, er mochte Ivo Beaumont fast um Haupteslänge überragen …
» Tiessa! Großer Gott – hier geht alles drunter und drüber. Tiessa! «
Erschrocken fuhr sie zusammen und lief über den sonnendurchfluteten Innenhof hinüber in die Küche, wo ihre Herrin Yolanda stand. Sie hatte die lange Schleppe des hellblauen Obergewands gerafft und über den Arm gelegt und eine unheilverkündende Miene aufgesetzt. Yolanda war schon am Morgen, als Tiessa ihr beim Ankleiden half, recht unleidlich gewesen. Jetzt schien sie endgültig ihre Fassung verloren zu haben.
» Wo steckst du denn, Mädchen? Schau dir das an! Nichts ist vorhanden außer einem halben Sack verschimmeltem Getreide und drei dicken Bohnen. Der Käse ist verdorben, und dieser Rest Butter riecht ranzig wie altes Lampenöl. «
Es stellte sich heraus, dass die beiden muselmanischen Sklavinnen und der Küchenjunge, die noch gestern willig für den Grafen und seine Männer die Mahlzeit bereitet hatten, heute in aller Frühe mitsamt der Lebensmittel verschwunden waren.
» Solch undankbares Diebsgesindel! «
» Da hilft kein Jammern « , meinte Tiessa schulterzuckend. » Wir müssen neue Lebensmittel einkaufen, sonst werden wir alle fasten müssen. «
Bertran, der schon ein wenig in der Stadt umhergestreift war, wurde herbeigerufen, dazu zwei Knechte, um die Säcke zu tragen. Yolanda schärfte Tiessa ein, nur Mehl, Butter, Gemüse und ein wenig Zuckerwerk einzukaufen, auf keinen Fall Fleisch, das bei dieser Hitze ungenießbar sei.
» Geht Ihr nicht mit, Herrin? « , staunte Tiessa.
» Nimm Marie mit dir und pass auf, dass dich kein Muselmann in seinen Harem sperrt « , gab Yolanda bissig zurück. » Nach dem Vormittag in Gesellschaft dieser burgundischen Heuschrecken brauche ich meine Ruhe. Nun geh schon. «
» Ja, Herrin … «
Yolanda hatte Fieber und wollte es nicht eingestehen. Tiessa nahm sich vor, nach dem Einkauf einen Sud aus getrockneter Weidenrinde und Beifuß zu kochen in der Hoffnung, dass Yolanda ihn trinken würde. Viel war nicht mehr übrig von den Heilkräutern, die man in Marseille eingekauft hatte. Es wäre wirklich gut, etwas über die Heilkunde der Sarazenen zu erfahren, dachte Tiessa.
Es war nicht die günstigste Zeit, um Einkäufe zu erledigen. Die Stadt lag in der Mittagsglut, kaum ein Lüftchen regte sich, dennoch war in den Gassen allerlei Geschiebe und Gedränge. Mehrfach mussten sie stehen bleiben, weil sich vor einem Haus Menschen angesammelt hatten. Esel standen gottergeben mit hohen Lasten auf dem Rücken, andere waren vor hölzerne Karren gespannt, auf denen Fässer und Kisten gestapelt waren. Aus den Häusern drangen zornige Flüche, auch schien es Prügeleien unter den Knechten zu geben.
» Was ist denn nur los? « , wunderte sich Tiessa. » Weshalb streiten sie sich? «
» Das sind aramäische Christen, die Saladin damals aus der Stadt getrieben hat « , erklärte Bertran. » Jetzt kommen sie zurück und wollen in ihre ehemaligen Häuser einziehen, doch dort haben sich inzwischen die Kreuzfahrer einquartiert. «
» Woher weißt du das alles? «
Bertran grinste stolz. Er war ein kluger Bursche und hatte seine Ohren überall, dazu besaß er eine rasche Auffassungsgabe.
» Gestern kamen Boten von König Philipp zu uns « , erklärte er. » Man will den aramäischen Christen ihre Häuser nicht vorenthalten, aber sie müssen vorerst die Kreuzfahrer bei sich dulden. Schließlich erlangen sie ihren
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