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Die Braut des Kreuzfahrers

Die Braut des Kreuzfahrers

Titel: Die Braut des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilke Mueller
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Besitz nur deshalb zurück, weil die Ritter die Stadt erobert haben. «
    Es ging langsam voran, immer wieder musste man Halt machen, um Fuhrwerke und Lastenträger vorbeizulassen. Bald hielt sich Tiessa den langen Ärmel vor Mund und Nase, denn der Gestank der öligen, dunklen Rinnsale in den Gassen war kaum noch auszuhalten. Kalte Schweißperlen standen auf ihrer Stirn, und sie musste sich sehr zusammennehmen, um sich nicht vor Marie und den Knechten zu blamieren. Weshalb hatte sie nur dieses scheußliche Gefühl, der Boden unter ihr würde zittern? Ein heißer, giftiger Fluss schien unter der Stadt zu brodeln, der tief unter den staubigen Wegen und Plätzen durch ein Labyrinth dunkler Kanäle floss, und seine rasch pulsierende Strömung ließ die Stadt vibrieren.
    Es ist die Hitze, sagte sie sich. Die Hitze und diese scheußlichen Gerüche. Vielleicht auch …?
    Zwei bärtige Männer in Kaftan und weiten Hosen kamen ihnen entgegen, die einen hölzernen Karren vor sich herschoben. Darauf lag ein Toter, ein schmales, längliches Paket, das vollständig in weißen Stoff eingewickelt war. Der Leichnam war schon steif, er rollte hin und her, wenn der Karren über einen Stein holperte, und Tiessa glaubte, auf den weißen Tüchern dunkle Flecke zu erkennen. War dieser Mensch erschlagen worden? Die beiden Männer hatten es eilig, den Leichnam bei der Tageshitze hinaus aus der Stadt zu schaffen, um ihn dort zu beerdigen. Tiessa atmete auf, als sie an ihnen vorübergegangen waren.
    » Da drüben, Herrin « , vermeldete Bertran triumphierend und zeigte mit dem Finger zum Ende der Gasse, wo Tiessa nur einen gleißenden Sonnenflecken wahrnehmen konnte. » Dort sind die Läden der Genuesen. Da wir Gefolgsleute von König Philipp sind, sollten wir besser dort einkau… «
    Er unterbrach sich erschrocken, denn in diesem Augenblick vernahm man einen schrillen Ruf. Der Schrei einer Frau in heller Verzweiflung.
    » Geh weiter«, sagte Marie. » Das geht uns nichts an. «
    » Es kam aus diesem Haus. «
    » Geh weiter, sag ich. «
    Tiessa konnte nicht anders, das Zittern und Vibrieren unter ihren Füßen war zu stark, es war unmöglich, unbeteiligt davonzugehen.
    » Tu das nicht « , hörte sie Bertrans warnenden Ruf, da hatte sie schon die dunkle hölzerne Pforte geöffnet. Es war nicht schwer gewesen, die Tür war nicht verriegelt, sondern nur angelehnt. Hastig stieg sie die steinernen Stufen hinauf, tastete sich im Dämmerlicht an der Mauer entlang, denn ihre Augen waren blind vom gleißenden Sonnenlicht. Trockener Lehm rieselte unter ihren Händen, eine Katze miaute, das kleine Wesen strich an ihr vorüber und berührte dabei sacht wie ein Luftzug ihr langes Gewand.
    Erneute Schreie, gellend, verzweifelt, die Stimme der Frau überschlug sich. Gepolter war zu hören, Holz splitterte, ein großes Gefäß aus Ton zerschellte, dann ertönte das tiefe, höhnische Lachen eines Mannes.
    » Und wenn du das halbe Haus zerschlägst, meine Schöne. Du wirst mir nicht entkommen … «
    Sie kannte ihn – oh Himmel, wenn sie doch nur wüsste, woher sie ihn kannte. Hinter sich auf der Treppe vernahm sie jetzt Fußtritte und keuchende Atemzüge. Es war Bertran, der nicht vor Anstrengung, wohl aber vor Aufregung schwer atmete.
    » Lass mich wenigstens vorausgehen, Tiessa! «
    » Du bleibst zurück « , zischte sie und fasste seinen Arm. » Das fehlte noch … «
    Die Treppe endete jäh nach einer Biegung. Oben wehte ein rötlicher Vorhang, der den dahinterliegenden Raum verbarg. Ein weiterer gellender Ruf ließ Tiessa voranstürzen, sie fasste den Stoff und riss ihn beiseite. Dann verharrte sie, atemlos, am ganzen Körper zitternd.
    In einem wilden Durcheinander von zerschlagenen Gegenständen, zerfetzten Stoffen, aufgebrochenen Truhen und umgestürzten Leuchtern rangen zwei Menschen miteinander – ein Mann und eine Frau. Der Kreuzfahrer Roger de Briard hatte die junge Sarazenin bei ihrem langen, offenen Haar gefasst und riss sie daran hin und her, offensichtlich war er rasend vor Zorn über ihren Widerstand.
    » Dankbar solltest du mir sein, du Dreckstück. Ein anderer hätte dich längst einen Kopf kürzer gemacht … «
    » Lasst sie sofort los! «
    Es war Tiessa, die diese Worte mit vor Empörung überschnappender Stimme gerufen hatte. Sogleich schob sich Bertran vor sie, um seine Freundin vor den Folgen ihres Leichtsinns zu beschützen.
    Roger de Briard starrte verdutzt auf den Jungen, der mit ausgebreiteten Armen vor dem Treppenaufgang

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