Die Braut des Kreuzfahrers
konnte.
» Im Perche sind wir gewesen, Philippa « , rief sie über die Schulter. » Dort haben wir im Kloster St. Cathérine Aufnahme gefunden. «
» Du hast ein großartiges Gedächtnis, liebe Amicia! Ein wahres Wunderding ist dein Gedächtnis « , meinte Philippa. » St. Cathérine … war das das Kloster, wo wir im fauligen Stroh lagen und in der Nacht ein Knecht zu uns hereinkam, der ein Bedürfnis hatte … «
» Nein, nein, das war in Paris gewesen « , fiel Josepha ihr ins Wort.
» Dann weiß ich nichts mehr von diesem – wie sagst du – St. Christine. Wir sind in so vielen Klöstern und Herbergen gewesen, wie soll sich ein Mensch das nur merken … «
» St. Cathérine, liebe Philippa « , nahm Amicia wieder das Wort. » Wir schliefen dort in einem engen Raum, der vormals als Schweinestall diente. «
» Oh ja – daran entsinne ich mich « , kicherte die alte Josepha. » Sie hatten keinen Platz für Gäste, weil doch eine Königstochter im Kloster untergebracht war. «
» Jetzt weiß ich es auch wieder « , rief Philippa und begann zu lachen. » Ich saß drei Nächte in einem Schweinetrog, weil kein Platz mehr auf dem Fußboden für mich war. «
Tiessa hatte dem Geschwätz amüsiert zugehört und darüber nachgedacht, wie viele Beschwernisse diese armen Frauen auf sich genommen hatten, um hierher ins Heilige Land zu gelangen. Sie hatten in aller Naivität vorgehabt, die Stadt Jerusalem den Heiden zu entreißen, und waren von Antiochia über Tyros in das befreite Akkon gepilgert. Dabei mussten sie Saladins Kämpfern ständig vor der Nase herumgelaufen sein, doch auf wunderbare Weise waren sie bisher ungeschoren davongekommen. In Akkon aber hatte die Vorsteherin Agnes einen schlimmen Traum gehabt, und da ihre Träume bereits häufig in irgendeiner Weise in Erfüllung gegangen waren, hatten sich die vier Klosterfrauen auf den Weg zurück nach Tyros begeben.
» Eine Königstochter war in St. Cathérine untergebracht? « , staunte Tiessa. » Ja, da ist es kein Wunder, dass sie keinen Platz für Gäste hatten. Sicher hat die Königstochter ein großes Gefolge mit sich geführt. Wie war denn ihr Name? «
» Wenn ich das noch wüsste « , grübelte Josepha.
» Also ich weiß es auf keinen Fall « , mischte sich Philippa ein. » Mein Gedächtnis ist wie ein tiefes Brunnenloch – was dort hineinfällt, das wird nicht mehr gesehen. «
» Aber ich erinnere mich « , sagte Amicia. Im gleichen Augenblick stolperte sie über die Wurzel eines Olivenbaums und wäre gestürzt, hätte nicht Philippa sie am Arm gepackt.
» Die Königstochter hieß Richenza, und sie war die Nichte des englischen Königs Richard. «
Natürlich! Tiessa schlug sich an die Stirn – es war die junge Ehefrau des Grafen Gottfried gewesen, die gleich nach der Hochzeit einige Wochen im Kloster verbracht hatte. Wie es hieß, wollte der Graf nicht, dass sie sich an der Krankheit ansteckte, die ihn und einige Leute aus Nogent befallen hatte.
» Richenza! Richenza! « , jubelte Josepha. » Natürlich, das war ihr Name. Eine zarte, junge Königstochter. «
» Eine Schönheit « , meinte Philippa. » War sie nicht schwarzhaarig und hatte Augen wie braune Mandeln? «
» Gott gebe dir Verstand, liebe Philippa « , stöhnte Amicia und legte die Hand auf Josephas Schulter. » Sie war blond und hatte helle Augen. Und sie schlief mit der Äbtissin im gleichen Bett. «
» Gewiss. Es war eng im Kloster. «
» Sie lagen nackt miteinander im Bett. «
» Sicher. Soll sie im Habit zu Bett gehen? «
» Die Königstochter wollte sich von der Äbtissin Clara nie wieder trennen. Weil sie solche Lust miteinander hatten und der Ehemann ihr ganz und gar zuwider war. «
» Woher willst du das so genau wissen, liebe Amicia « , wunderte sich Philippa. » Mit deinen schlechten Augen konntest du doch gar nicht sehen, welche Lust sie miteinander hatten. «
» Ich weiß es, weil die Klostermägde sich darüber aufregten. Sodomie sei das, eine Sünde wider die Natur. «
Tiessa war betroffen von dem, was sie da gehört hatte. Was Sodomie war, wusste sie nur ungenau, aber es gab Männer, die Knaben liebten oder ihre Lust sogar mit einem Schwein oder Rind befriedigten. Dass eine Frau mit einer anderen Frau Lust empfinden konnte, davon hatte sie noch niemals gehört. Wahrscheinlich war es auch nur ein Hirngespinst dieser Klosterfrauen. Und doch … konnte es tatsächlich sein, dass die Gräfin Richenza keine Lust empfand, wenn ihr Ehemann bei ihr lag? Dass er
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