Die Braut des Kreuzfahrers
ihnen dachten.
» Wir sind reisefertig und verlassen die Stadt. Grüßt euren Herrn von uns. «
Die beiden schwatzten in einer schwer zu verstehenden Sprache auf sie ein, und Tiessa begriff, dass sie sie zum Bleiben aufforderten. Ihr Herr sei ein wohlhabender und großzügiger Mann, der die Schönheit und die feinen Künste liebe. Niemals käme es ihm in den Sinn, eine schutzlose Frau aus seinem Haus zu vertreiben.
Die byzantinischen Brüder hatten offensichtlich ihren gesamten Hausstand samt Dienerschaft und auch eine Menge Waren mitgebracht. Als sie die Treppen hinunterliefen, kamen ihnen zahlreiche Leute mit Truhen und Kisten entgegen, während sich in den unteren Räumen schon die Warenballen stapelten. Tiessa erblickte im Vorübereilen einen älteren Mann mit einem gewaltigen grauen Schnurrbart, der einen Kaftan aus roter Seide und dazu eine Mütze mit Pfauenfedern trug. Er war beschäftigt, die Dienerschaft anzuweisen, und würdigte die beiden Frauen keines Blickes.
» Nach Tyros « , sagte Tiessa, als sie zwei Straßen weiter auf einem kleinen Platz stehen blieben. » Aber wie gelangen wir dorthin? Wir haben kein Geld, um uns einen Platz auf einem Schiff zu mieten. «
» Wir gehen zu Fuß « , meinte Dinah. » Immer am Meer entlang. Wenn wir jetzt losgehen, sind wir am späten Abend dort. «
» Aber … ist das nicht gefährlich? Saladins Kämpfer schwärmen doch überall herum. «
» Aber nein. Der Weg führt an den Gärten und Äckern der Christen vorüber, die sich im Schutz der Burg Casal Imbert angesiedelt haben. Die Burg liegt nicht weit von Akkon gleich am Meeresufer, und die Kreuzritter haben ein Auge auf Pilger oder Händler. «
Weshalb hatte sie solche Angst gehabt? War es nicht so, dass der Herr ganz wunderbar für sie sorgte? Tiessa nickte ihrer Freundin zu und lächelte, während sie zum nördlichen Stadttor gingen. Nach Tyros – Gott der Herr hatte für sie entschieden. Sie konnte dort bei Dinahs Eltern bleiben oder in die Dienste der Amicia von Vaudet treten – auf jeden Fall bedeutete es, dass sie auf die Rückkehr des Kreuzfahrerheeres warten würde. Und auf Gottfried von Perche.
31
D iese Stadt ist verflucht. Satans schwarzgeflügelte Gehilfen kreisen über ihren Kirchen und Palästen!«
Die Klosterfrau ging mit weit ausholenden Schritten voran. Wenn sich ein Wind erhob, flatterte das weite Gewand um ihren knochigen Körper und wickelte sich um ihre Beine. Ihre drei Mitschwestern hatten Mühe, auf dem sandigen Weg mit der Vorsteherin Schritt zu halten, die übrigen Mitglieder der kleinen Reisegruppe waren bereits hinter den vier Nonnen zurückgefallen. Links von ihnen glänzte die glatte türkisfarbene Fläche des Meeres. Zwei Segel waren in der Ferne zu erkennen, die Schiffskörper verschwammen in dem Dunstschleier, der über dem Horizont lag.
» Sieben Tage und sieben Nächte wird der Höllenfürst in diesen Mauern wüten, und es wird kein Stein auf dem anderen bleiben. «
Tiessa blieb einen Moment stehen, um sich das Tuch fester um den Kopf zu binden. Die Sonne brannte erbarmungslos auf die Fußgänger herunter. Was für ein Glück, dass sie einem Händler am Stadttor einen gefüllten Wasserschlauch und zwei zusammengerollte Brotfladen abgekauft hatten. Tiessa hatte ihm dafür ein seidenes Tuch und zwei silberne Haarnadeln gegeben, die er zuerst mit großem Misstrauen beäugte, dann aber doch in Zahlung nahm.
» Sie übertreibt ein wenig, diese Klosterfrau « , meinte Dinah leise neben ihr. » Wie hieß sie doch? Agnes? «
Die beiden jungen Frauen hinter ihnen kicherten. Sie hießen Leila und Sulamith und waren Muselmaninnen, verhüllten ihre Gesichter jedoch nicht, nur das Haar trugen sie kunstvoll in bunte Tücher eingebunden. Sie schmückten sich sogar auf der Reise mit goldenen Ohrgehängen, und ihre weiten Mäntel waren aus leichtem weißem Stoff, den man in Ägypten herstellte. Angeblich hatten sie Verwandte in Tyros, die sie besuchen wollten.
Tiessa hatte Dinahs Rat befolgt und sich nicht umgewandt, während sie durch das Stadttor gingen und den Weg zur Küste einschlugen. Doch als sie das Meer erreicht hatten und der Wind den salzigen Geruch der Fluten herbeitrug, konnte Tiessa sich nicht mehr beherrschen. Ein einziges Mal nur wollte sie zurückschauen und wenigstens aus der Ferne, wenigstens in einem zärtlichen Gedanken, vom Grab ihres Vaters Abschied nehmen. Den kleinen Friedhof an diesem Morgen noch einmal aufzusuchen war so gut wie unmöglich gewesen, denn um
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