Die Braut des Kreuzfahrers
ihr sogar zuwider war? Seltsamerweise gefiel ihr der Gedanke …
» Die Hure Babylon schmückt sich mit Rubinen und Topasen « , fuhr auf einmal Agnes in die Reden ihrer drei Mitschwestern. » Schön ist ihr weißer Leib, lockend ihre Brüste, doch verflucht ist ihr Schoß. Diese Welt ist verderbt und voller sündiger Gedanken … «
Sie blieb unvermittelt stehen, legte eine Hand auf die Brust und begann zu keuchen. Sogleich wurde sie von ihren Mitschwestern umringt, die offensichtlich wussten, was zu tun war, denn sie stützten ihre Vorsteherin, damit sie sich am Wegrand niedersetzen konnte.
» Ganz ruhig, liebe Agnes. Es ist gleich vorüber. «
» Du bist ein wenig hastig gelaufen, du Ärmste … «
» Es ist der Staub, liebe Agnes. Sagte ich nicht, du sollst ein Tuch vor den Mund nehmen? «
Dinah kniete nun ebenfalls bei der Klosterfrau nieder und reichte ihr den Wasserschlauch. Agnes trank einige Schlucke, hustete und murmelte etwas von den Quellen Babylons, dann blickte sie Dinah ins Gesicht und verzog die dünnen Lippen zu einem Lächeln.
» Danke, du Gute. Dank für den köstlichen Wein und das Wasser des Lebens. «
Es schien ihr tatsächlich besser zu gehen, und Tiessa, die schon das Schlimmste befürchtet hatte, atmete erleichtert auf. Diese vier Nonnen waren bei all ihren Merkwürdigkeiten doch ungeheuer liebenswert. Sie wünschte ihnen von Herzen, dass sie alle Strapazen und Gefahren dieser Pilgerreise überlebten und eines schönen Tages in das irdische Jerusalem einzogen. Das himmlische Jerusalem war ihnen sowieso sicher.
» Dann lass uns eben hier rasten, Tiessa « , meinte Dinah mit einem kleinen Seufzer. » Es hat wenig Sinn, ohne die Klosterfrauen weiterzugehen, und ich denke, Agnes muss noch ein wenig ausruhen. «
Auch die beiden Muselmaninnen waren dieser Ansicht. Wenn ihre Reisegruppe schon nur aus Frauen bestand, so war es wichtig, wenigstens beieinanderzubleiben. Man führte die erschöpfte Agnes unter einen Feigenbaum, der nicht weit vom Weg entfernt in einem Garten wuchs und dessen Laub ein wenig Schatten versprach. Zum Leidwesen der beiden muselmanischen Frauen waren die Früchte noch allzu grün, als dass man sie schon hätte essen können.
Tiessa nahm eilig einen tiefen Zug aus dem Wasserschlauch, biss lustlos in den Brotfladen und lief hinunter zum Strand. Ein paar Seevögel, die im nassen Sand umhergingen und nach Muscheln pickten, erhoben sich träge in die Luft, eine flache Welle trug ihren weißen Schaumrand direkt vor ihre Füße. Nicht weit entfernt erhob sich die Kreuzritterburg auf einer ins Meer hinausragenden Landzunge. Jetzt, da man das Bauwerk aus der Nähe betrachten konnte, erschienen seine massiven Mauern und Türme abweisend, zugleich aber vermittelte die Burg das Gefühl, in sicherer Hut zu sein. Tiessa setzte sich in den Sand, um ihre Schuhe auszuziehen, und kam sich plötzlich vor wie damals, als sie noch ein kleines Mädchen war. Da hatte Jordan sie mit zum Fluss genommen, wo sie im seichten Uferwasser herumwateten und Krebse suchten. Was für eine Wohltat, bei der stechenden Sommerhitze die bloßen Füße in die kühle, kitzelnde Flut zu strecken. Auf dem breiten Sandstreifen lagen da und dort runde Kiesel, auf denen die herankriechenden Wellen kleine Blasen schlugen. Weiter nördlich wurde der Strand felsiger, und wenn sie die Augen mit der Hand beschattete, konnte sie in der Ferne tatsächlich eine Erhebung erkennen. Das musste der weiße Felsen sein, von dem Dinah gesprochen hatte, die Steige von Tyros.
Mit raschem Blick stellte sie fest, dass die Reisegesellschaft keine Anstalten machte, den Weg fortzusetzen, also lief sie ein wenig durch die flachen Wellen und hatte ihren Spaß, wenn das salzige Wasser an ihr hochspritzte. Wie schade, dass sie jetzt nicht einfach die Kleider ablegen und im kühlen türkisfarbenen Wasser baden durfte. Männer und Knaben konnten so etwas unbesorgt tun, niemand störte sich daran. Eine Frau – zumindest eine ehrbare Frau – durfte nur an einem abgeschirmten Ort unbekleidet ins Wasser steigen. Hier an diesem Strand gab es nicht einmal einen Busch, der sie vor fremden Blicken hätte schützen können.
Wie zur Bestätigung erblickte sie jetzt eine Gruppe Reisender auf dem Weg nach Tyros. Es waren zwei kleine Fuhrwerke, jedes von einem Maulesel gezogen und mit allerlei Zeug bepackt. Drei Männer in hellen, flatternden Gewändern und bunten Kappen trieben die Tiere an. Gleich darauf entdeckte sie auf dem vorderen Wagen eine
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