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Die Braut des Nil

Die Braut des Nil

Titel: Die Braut des Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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beeindruckendsten aller
Planeten. Sie geben dir Kraft, die Fähigkeit zu denken und zu handeln. Aber das
sind nur Möglichkeiten, Kamose. Es ist deine Aufgabe, sie zum Wirken zu
bringen.«
    »Steht auch mein Schicksal in
den Sternen geschrieben?«
    Der Alte
antwortete ausweichend.
    »Befrage sie.
Sie werden dir antworten. Ich lasse dich nun zurück. In meinem Alter ist es
nicht gut, die Nacht im Freien zu verbringen.«
    Der junge
Priester mit dem kahl geschorenen Schädel ließ den Schüler des Alten
niederknien.
    In den
Steinen des Tempeldachs zeigte er ihm Zeilen, denen er mit dem Finger folgte.
Sie stellten die im Laufe der Zeitalter ermittelten Sternbilder dar. Er lehrte
ihn ihre Namen sowie die der Planeten und der Dekaden. Dann erklärte er ihm,
wie man die periodische Wiederkehr der Planeten berechnet und ihren Einfluss
auf die Kreisläufe der Natur deutet.
    Gierig
speicherte Kamoses Geist dieses ihm gänzlich neue Wissen. Er stellte tausend
Fragen, bat um weitere Ausführungen zu den Themen, die er unverständlich fand,
und zwang seinen Lehrer, das vorgesehene Programm weit zu überschreiten.
    Die Nacht
verging viel zu schnell.
    Als der
Horizont sich rot färbte, fühlte sich Kamose erfüllt und zugleich herrlich
leicht.
    Die Priester
verließen das Dach des Tempels.
    Nach einem
rituellen Bad würden sie nun ein paar Stunden ruhen. Mit dem anbrechenden Tag
begann das Kommen und Gehen der Priester. Die mit den Opfergaben Beauftragten
reinigten sich im heiligen See.
    Am Fuß der
Treppe, die in den geschlossenen Tempel führte, saß der Alte, die Hände auf
seinem Stock.
    »Hast du eine
gute Nacht verbracht, Kamose?«
    »Es war
fantastisch!«, erklärte der junge Mann. »Warum werden diese Kenntnisse nicht
allen Menschen vermittelt?«
    »Weil sie
nicht bereit sind, sie zu empfangen, mein Junge. Lass sie glücklich in ihren
Glaubensvorstellungen leben. Du hingegen sollst ins Reich der Erkenntnis
eintreten. Die Erkenntnis – und zwar sie allein – ist es, die dir die Wege zur
Ewigkeit öffnen wird. Die Erkenntnis… nicht das reine Wissen oder der Glaube.
Bist du zu müde, mir zu folgen?«
    »Natürlich
nicht!«
    Der Alte und sein Schüler
verließen den Tempel. Ein von zwei Pferden gezogener Wagen erwartete sie. Ein
Soldat hielt die Zügel.
    »Mir graut
vor diesem Gerät«, erklärte der Alte. »Es fährt zu schnell!«
    Der Soldat
achtete darauf, die Buckel auf dem Weg zu vermeiden, der zur Anlegestelle
führte.
    »Überqueren
wir den Nil?«, fragte Kamose.
    »Ja, wir
begeben uns tatsächlich auf das Westufer«, erklärte der Alte. »Diese Reise habe
ich schon zehn Jahre nicht mehr gemacht. Ich habe leider keine andere
Möglichkeit, dir ein bedeutsames Zeichen zu zeigen.«
    Wer hätte der
Herrlichkeit der Morgendämmerung überdrüssig werden können? Wer hätte darauf
verzichten wollen, anzusehen, wie der von goldenen Strahlen umflutete
Sonnenfluss aus der Dunkelheit auftauchte? Nachdem Kamose die Nacht durchwacht
hatte, entdeckte er nun zum ersten Mal die Herrlichkeit des Tages. Der Tag
erschien ihm wie der Triumph der Jugend. Wie der Sieg seiner eigenen Jugend.
    Ein weiterer
Wagen fuhr den Alten und seinen Schüler von der Anlegestelle am Westufer zum
Dorfeingang von Deir el-Medineh, wo die Handwerker wohnten, die den Auftrag
hatten, die Pharaonengräber zu graben und sie entsprechend der vom Tempel
gelehrten Symbolik zu schmücken. Ein von einer lang gezogenen Pyramide
überragtes Grab markierte die Schwelle zu dem Bereich, der der Zunft
vorbehalten war.
    Die Wächter
verneigten sich vor dem Alten. Sie erkannten ihn sofort, hatte er doch dem
Meister der Zunft die Bedeutung der Hieroglyphen beigebracht. Sie trugen keine
Waffen, sondern Steinmetzhämmer. Sie führten den Alten und den Schüler zum
Eingang des Grabes.
    Kamose
entdeckte einen steil hinabführenden Gang.
    »Bück dich«,
befahl der Alte, »und geh ganz langsam. Wenn du aufrecht stehen kannst, bist du
am Ziel.«
    Zum ersten
Mal betrat Kamose eine Ruhestätte der Ewigkeit. Er wusste, dass sie nicht nur
dazu bestimmt war, einen Leichnam zu bergen, sondern auch, die
wiederauferstehende Leiche vor äußeren Beeinträchtigungen zu schützen.
    Beklommen
betrat er den engen Gang, in dem er sich gebückt vorwärts bewegte. Ein Licht
leitete ihn.
    Als er die
Grabkammer entdeckte, erstaunte er erneut. Die Wände und das halbrunde Gewölbe
waren über und über mit Malereien in leuchtenden Farben bedeckt.
    Der Alte trat
zu ihm.
    »Sieh dir
diese Wand an«,

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