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Die Braut des Nil

Die Braut des Nil

Titel: Die Braut des Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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die Fähre verpasst.
    »Ich frage
dich nicht, woher du kommst.«
    »Das ist
unnötig, da Ihr alles wisst.«
    »Jetzt wirst
du auch noch frech… Es wird dir an keinem Laster mangeln, Kamose. Setz dich hin
und schweig. Nicht genug, dass ich dich unterrichten muss, ich muss auch noch
das Haus verlassen.«
    Knurrend
entfernte sich der Alte. Kamose aß ein paar Datteln und genoss den Frieden des
zu Ende gehenden Tages. Im geschlossenen Tempel vollzog der Pharao oder der ihn
vertretende Priester den letzten Ritus des Tages. Er schloss die Türen des
Allerheiligsten wieder, das die Statue des Gottes barg.
    Aber das
Tempelleben ging weiter.
    Die
Handwerker, die den göttlichen Stoff, das Gold, bearbeiteten, gingen in ihre
Werkstätten. Die Zauberpriester bereiteten bei Fackelschein Heilmittel zu.
    Kamose ließ
sich von der Ruhe und dem Frieden durchdringen, die den heiligen Ort erfüllten.
Seine Qualen ließen nach. Hier standen die Menschen seit Jahrhunderten in
Verbindung mit dem Heiligen. Ihre Erfahrung und ihre Weisheit hatten sie in die
Mauern eingraviert. Den Blick auf die Hieroglyphen zu richten erweckte diese
zum Leben. So setzten sich die göttlichen Worte im Geist des jungen Mannes
fest.
    Ein Priester
mit kahl geschorenem Schädel riss Kamose aus seinen Betrachtungen. Er führte
ihn wortlos zum Riesentor des geschlossenen Tempels.
    »Aber… da
darf ich doch nicht hinein!«, protestierte er.
    Der junge
Priester achtete nicht auf den Einwand und schlug mehrfach gegen die Tür.
    Einer der
Zedernholzflügel öffnete sich einen Spalt. Wächter und Priester wechselten ein
paar Worte.
    Der Priester
griff Kamose am Unterarm und führte den Schreiberlehrling in den geschlossenen
Tempel.
    Kamose
glaubte, sein Herz würde zu schlagen aufhören. Er hatte den Augenblick, in dem
er Zugang zum geheimen Teil des Heiligtums erhalten würde und von dem er weder
Tag noch Stunde kannte, so sehr erwartet, dass er nicht mehr wusste, wie er
sich verhalten sollte. Ein schwaches Licht erhellte die hohen Säulen, die
höchsten, die er je gesehen hatte. Sie waren über und über mit
Hieroglyphentexten und rituellen Szenen bedeckt, die den Pharao dabei zeigten,
wie er den Gottheiten Opfer darbrachte.
    »Dir
offenbart sich hier eines der größten Geheimnisse unserer Zivilisation«,
erklärte die ernste Stimme des Alten. »Alles, was lebt, ist Opfer, Kamose. Die
Opfergabe ist das Feuer der Liebe. Sie nährt den Geist. Derjenige, der nimmt
und stiehlt und dabei vergisst zu opfern, verurteilt sich zur Zerstörung seiner
Seele. Wenn der Mann, den du beschuldigst, deine Eltern beraubt zu haben, ein
habgieriger Mensch mit verschlossenem Herzen ist, so werden die Götter ihn
züchtigen. Das ist das Gesetz des Himmels. Kein Mensch wird es je verletzen können.«
    Kamose war
über seine eigene Reaktion überrascht. Das himmlische Gesetz reichte ihm nicht
aus. Er wünschte sich, es würde in der Welt der Menschen angewandt. Im
geschlossenen Tempel herrschte jedoch eine solche Gelassenheit, dass das in
seinem Herzen lodernde Feuer nachließ und nur noch als Glut sanfte Wärme
verbreitete.
    Der Stock des
Alten war auf den Stufen einer Treppe zu hören. Kamose folgte dem alten
Schreiber, der ihn auf das Dach des Tempels hinaufführte.
    Dort
arbeiteten die in Astronomie kundigen Priester, die bei Einbruch der Nacht mit
ihren Himmelsbeobachtungen begannen. Schweigend verrichteten sie ihre Arbeit
und notierten ihre Beobachtungen auf Papyri und Lederrollen.
    Der Alte
führte Kamose in eine Ecke und redete leise mit ihm: »Du wirst die Nacht hier
mit einem in der Astronomie erfahrenen Priester verbringen«, erklärte er, »und
dabei die Planeten und ihre Bewegungen kennen lernen.«
    »Wozu dient das?«, fragte
Kamose.
    »Das soll dir
dazu dienen, die unwandelbaren Gesetze des Kosmos zu entdecken – und dich
selbst. Du bist ein Sohn der Erde, Kamose, aber du bist auch ein Sohn des
Himmels. Die eine wie der andere sind in dir.«
    »Bin ich denn
in meinen Gedanken und Gefühlen nicht frei?«, fragte Kamose besorgt.
    »Wie jedes
Lebewesen bist auch du vom Himmel bestimmt«, antwortete der Alte. »Er bietet
dir das Material, dich selbst zu erschaffen. Aber du bleibst der Architekt.«
    »Von welchem
Planeten wird mein Leben beeinflusst?«
    »Bei deiner
Geburt haben sich die sieben Planeten über dich gebeugt. Man nennt sie die
sieben Hathor, und sie tanzen im Himmel um den herum, der geboren wird. Du bist
von Mars, dem roten Horus, geprägt und von Jupiter, dem

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