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Die Braut des Nil

Die Braut des Nil

Titel: Die Braut des Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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zurückkehrst, wird
sie sofort begreifen, dass du durchgefallen bist. Kannst du dir ihren Kummer
vorstellen?«
    Kamose fühlte sich in einem
Strudel gefangen, gegen den er keinen Widerstand leisten konnte.
    »Ihr habt
kein Herz… Ihr könnt nicht wissen, was ich empfinde…«
    »Das ist mir
in der Tat völlig gleichgültig. Natürlich bist du der einzige Sohn, der seine
Mutter liebt. Schluss jetzt mit den Dummheiten! Du hast viel nachzuholen.«
    Der Alte nahm
den Stock zu Hilfe, verlieh damit seinen Schritten Nachdruck und wandte sich in
Richtung Tempel. Kamose hatte weiche Knie und konnte den raschen Schritten des
Alten nur mühsam folgen. Der Fischer stand reglos auf dem Kai und wusste nicht,
was er denken sollte.
    Ein junger
Mann mit schwarzem Schnurrbart und einem Silberhalsband kam auf ihn zu. Er trug
zwei Taschen.
    »Bist du der
Freund der Dame Nedjemet?«, fragte er ihn.
    »Ja. Was
willst du von ihr?«
    »Sie heilen.
Ich bin einer der Ärzte des Palastes. Du sollst mich zu ihrem Dorf führen.«
     
     
    »Sitz nicht
so niedergeschlagen da«, befahl der Alte Kamose. »Du machst dich lächerlich.
Antworte auf meine Fragen.«
    Der junge
Mann fühlte sich kraftlos. In den letzten Stunden waren zu viele Aufregungen
zusammengekommen. Auf der einen Seite war es tröstlich, wieder im Büro des
Alten zu sein. Auf der anderen fühlte er sich als Gefangener böser Geister,
gegen die zu kämpfen er keinen Mut mehr hatte.
    »Ich habe
keine Lust mehr, Schreiber zu werden«, sagte er schließlich. »Meine Mutter
braucht mich.«
    »Ein Kind
soll seine Mutter lieben und ihr alles zurückgeben, was sie für es getan hat«,
erwiderte der Alte. »Es muss ihr reichlich Brot geben und sie stützen, so wie
sie es gestützt hat. Sie hat ihm das Leben gegeben und es jahrelang mit ihrer
Milch ernährt. Sie empfand keinen Ekel, es zu säubern.«
    »Wenn Ihr so
denkt, warum hindert Ihr mich daran, nach Hause zurückzukehren?«
    »Wisse, dass
du frei entscheiden kannst, wohin du gehst, mein Junge, und dass ich mich um
die Gesundheit deiner Mutter gekümmert habe. Aber gewiss reicht mein Wort dir
nicht aus.«
    Kamose kniete
vor dem Alten nieder und küsste ihm die Füße.
    »Die
Höflichkeit kehrt wieder zu dir zurück. Das bestärkt mich in dem Glauben, dass
Wunder möglich sind.«
    »Wie könnte
ich Euch danken…«
    »Du wirst mir
gegenüber nie genug Dankbarkeit besitzen. Es sei denn, du würdest meine Fragen
ohne einen Fehler beantworten. Wir werden die Grammatik da aufnehmen, wo wir
aufgehört haben, und mit der Lektüre eines juristischen Textes fortfahren.
Hoffen wir, dass du nicht alles vergessen hast.«
    Als er
Kamoses Antworten hörte, verbarg der Alte seine Befriedigung und ließ ihn
härter arbeiten als jeden anderen Schüler.
    Der junge
Mann hatte nicht nur nichts vergessen, sondern erkannte instinktiv die
schwierigsten grammatikalischen Regeln. Es fiel ihm leicht, einen Text
zusammenzufassen und dabei das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen.
    Sein
Gedächtnis speicherte die Wörter mit erstaunlicher Geschwindigkeit.
    Der Alte
hatte sich nicht getäuscht. Er hatte hier einen Ausnahmeschüler vor sich,
dessen inneres Feuer man leiten musste.
    Eine Woche
lang zwang der Alte Kamose dazu, Stunden um Stunden zu arbeiten und seine
Schlafenszeit auf ein Minimum zu reduzieren. Der junge Mann nahm die
Herausforderung an und war am Ende nicht einmal erschöpft. Auf diese Weise
testete der Alte seine Widerstandskraft und seine Konzentrationsfähigkeit. Das
Ergebnis war höchst erfreulich.
    »Meister«,
fragte Kamose zögernd, »ich würde gerne…«
    »Glaubst du
wirklich, du dürftest dir erlauben, mich um einen Gefallen zu bitten? Du hast
gerade mal deinen Rückstand aufgeholt. Die Prüfung findet in weniger als einem
Monat statt. Du weißt, dass der Zustand deiner Mutter sich nicht verschlechtert
hat, – um was solltest du dich anderes kümmern dürfen als um das Lernen?«
    »Ich erkenne
meine Fehler an. Aber ich würde gern…«
    »Ich schenke
dir den Nachmittag. Bei Sonnenuntergang musst du zurück sein. Sonst schließen
sich die Tore des Tempels endgültig für dich.«
    Es war die
Stunde der größten Hitze des Tages. Auf den Feldern hielten die Bauern ihren
Mittagsschlaf unter einer Akazie oder einer Tamariske. Auch die Ochsen und
Hunde suchten ein wenig Schatten. Die Adligen in den Villen dösten unter ihren
Lauben. Die Arbeit ruhte so lange, bis die Sonne weniger stark brennen würde.
    Selbst die
Krokodile waren

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