Die Braut des Ritters
besänftigen.
Avelyn wehrte sich nicht länger, sondern lag still. Sie vermochte nicht zu sagen, ob ihr Gemahl wütend war oder nicht. Er klang nicht wütend, aber seine Miene war angespannt. Wahrscheinlich war er verstimmt darüber, dass sie die Besinnung verloren hatte. Mit dem Lispeln und der Ohnmacht während der Trauung hatte sie wohl keinen guten Eindruck gemacht.
Als sie sich erinnerte, wie sie „Ich will“ gelispelt hatte, ging ihr auf, dass sie nicht länger die Wangen einsog. Hastig tat sie es und hoffte, er habe ihre Pausbacken nicht bemerkt. Über seine Schulter hinweg sah sie, dass die gesamte Hochzeitsgesellschaft ihnen mit einigem Abstand folgte. Trotz ihres Gewichts schritt ihr Bräutigam rasch aus, und mit jedem Schritt vergrößerte er den Abstand zur Menschenmenge. Sie seufzte unfroh. Dies alles war ihr schrecklich peinlich. Zudem tat es ihrem Gemahl gewiss nicht gut, sie so weit zu tragen. Zwar hatte auch Warin sie geschleppt, doch die Strecke von der Kapelle zum Wohnturm war um einiges länger.
„Bitte, Mylord“, versuchte sie es erneut, wobei sie kurz ihre Wangen entspannte, um sprechen zu können. „Setzt mich ab, ehe Ihr Euch Schaden zufügt. Ich bin viel zu schwer, als dass Ihr ... “ Unsicher brach sie ab, da ihr Gemahl stehen geblieben war und sie verblüfft anstarrte, ehe er losprustete.
„Wie soll ein zierliches Ding wie Ihr mir denn schaden?“, fragte er kopfschüttelnd, als er sich wieder gefangen hatte. „Frauen!“, fügte er in gespielter Verzweiflung an und schien gar nicht zu bemerken, dass Avelyns Wangen sich eine Spur stärker gerötet hatten. Schließlich war sie alles andere als ein „zierliches Ding“. Aber sie gab ihren Widerstand auf und ertrug den Rest des Weges schweigend.
Avelyn war ungemein erleichtert, als sie endlich den Wohnturm erreichten und eintraten. Noch erleichterter war sie, als sie auf der Bank an der Tafel abgesetzt wurde. Betulich strich sie sich die Röcke glatt und mied den Blick ihres Gemahls, der sich neben ihr niederließ. So verzagt fühlte sie sich, dass sie fast dankbar war, als das Portal endlich auf schwang und die große Halle sich zu füllen begann.
Ihre Mutter führte die hereinströmende Menge an. Eilig kam sie zu ihr herüber. „Geht es dir gut, mein Spatz?“, fragte sie besorgt. „Hast du dich erholt?“
„Aye“, erwiderte Avelyn.
„Ihr seht auch schon viel besser aus“, warf eine Frau ein, die sich zu ihnen gesellt hatte und vermutlich Paens Mutter war.
„Aye, das stimmt.“ Avelyns Vater erschien und tätschelte ihr unbeholfen die Schulter, ehe er sich kopfschüttelnd einem Mann zuwandte, der wie ein älterer Paen aussah. „Wirklich bedauerlich. Avelyn ist noch nie ohnmächtig geworden. Das muss die ganze Aufregung sein.“
Avelyn schloss die Augen und wünschte, sie alle würden sich einfach hinsetzen und kein solches Gewese um die Sache veranstalten. Es machte sie furchtbar verlegen.
„Ganz bestimmt ist es die Aufregung“, sagte jemand. Avelyn schlug die Augen wieder auf und erblickte eine Dame, die etwa so alt wie ihre Mutter war. Sie hatte hellblondes Haar, das bereits grau wurde, und aparte Züge.
„Tante Helen hat recht“, warf ein zartgliedriges, blondes Mädchen ein. „Bei meiner Cousine war es auch so. Sie war immer das blühende Leben, hat nicht ein einziges Mal im Leben die Besinnung verloren ... bis sie ein Kind unterm Herzen trug. Dann fiel sie plötzlich beim kleinsten Anlass um.“
„ Diamanda! “ Die ältere Blonde - Tante Helen - keuchte entsetzt auf.
„Aber ich wollte damit doch nicht sagen, dass Lady Avelyn ... Selbstredend erwartet sie kein Kind“, wandte Diamanda hastig ein. Sie war rot geworden und wirkte erschrocken darüber, dass man ihre Worte derart missverstanden hatte. „Ich meinte nur, dass die Strapazen der Schwangerschaft... Und die Strapazen der Hochzeit sind womöglich ... “ Sie verstummte und starrte hilflos in die entgeisterten Gesichter um sie her. Ihrer Miene war zu entnehmen, dass sie sich nichts sehnlicher wünschte, als dass der Boden sich unter ihr auftun möge.
Avelyn empfand Mitleid mit dem Mädchen, wusste sie selbst zu gut, wie unbehaglich man sich fühlte, wenn aller Augen auf einen gerichtet waren. Auch ihr war das zuwider, und es war umso schlimmer, wenn man angestarrt wurde, weil man etwas Törichtes gesagt oder angestellt hatte. Sie rang sich ein Lächeln ab und trotzte eben jenem Unbehagen, um dem Mädchen beizustehen.
„Natürlich habt Ihr
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