Die Braut des Ritters
Stoffkante scheuerte an der Unterseite ihrer Brüste und reizte die empfindliche Haut dort. Avelyn streckte den Rücken durch, um sich Erleichterung und vielleicht ein wenig Luft zu verschaffen, aber es half kaum.
„Esst.“
„Hm?“ Abwesend sah sie den Mann an ihrer Seite an. Er hatte den Teller gefüllt und langte bereits zu. „Esst“, wiederholte er und wies auf das Mahl.
Als Avelyn das Essen nur sehnsüchtig anstarrte, jedoch nichts davon nahm, seufzte Paen. „Ich hatte eigentlich auf eine gesunde Gemahlin mit einem gesunden Appetit gehofft.“
Er klang so enttäuscht, dass Avelyn rasch nach einer Keule griff und sie an den Mund hob. Allerdings biss sie nicht ab, sondern hielt sich den Schenkel nur an die Nase und atmete ein. Der Duft des saftigen Bratens ließ ihr vor Verlangen fast wieder die Sinne schwinden. Doch sie war gewiss, dass in ihrem zusammengepressten Magen nichts Platz haben würde. Vermutlich würde der Bissen irgendwo auf Höhe der Brüste stecken bleiben und ihre Lage nur noch verschlimmern.
„Gut, nicht wahr?“, fragte ihr Gemahl. Offenbar wollte er ein Gespräch in Gang bringen.
Avelyn nickte, und da er sie erwartungsvoll ansah, nahm sie einen Bissen. Leider wandte er sich nicht wieder dem Teller zu, wie sie gehofft hatte, sondern schaute sie unverwandt an, sodass sie gezwungen war zu kauen ... und zu kauen. Lieber Gott, es schmeckte wie himmlisches Manna. Aber da sie Angst hatte zu ersticken, kaute sie weiter und weiter.
„Ich denke, Ihr habt genug gekaut“, warf Paen amüsiert ein.
Was blieb ihr übrig, als zu schlucken? Zum Glück blieb ihr der Bissen nicht, wie befürchtet, in der Kehle stecken, sondern fand einen Winkel in ihrem beengten Magen. Avelyn wollte gerade erleichtert seufzen, als sie hörte und spürte, wie das Tuch um ihre Taille nachgab. Der Schreck fuhr ihr in die Glieder. Sie verharrte stockstarr und setzte sich noch eine Spur gerader hin, um zu verhindern, dass der Stoff weiter riss. Doch vergeblich -das Ratschen ertönte erneut.
„Habt Ihr das gehört?“, fragte Paen.
„Nay“, stieß Avelyn kaum hörbar hervor, während das Stück Hühnchenfleisch in ihrem Magen um Platz kämpfte.
„Nicht? Hm.“ Er sah sich um. „Ich bin mir sicher, etwas vernommen zu haben, nur weiß ich nicht genau, was es war oder woher es kam.“
Avelyn wagte nicht, sich zu bewegen oder auch nur zu atmen. Sie presste sich die Ellbogen fest an die Rippen in dem nutzlosen Bemühen, das Tuch zusammenzuhalten.
„Da! Da ist es wieder! “ Paen sah sich argwöhnisch um und schaute auf der Suche nach dem Ursprung des Geräuschs erst Avelyn an und dann an ihr vorbei. Avelyn sah sich nicht um. Sie kannte ja den Ursprung. Mit jedem reißenden Laut spürte sie die Enge um ihre Brust weiter schwinden, und war sie gerade noch bemüht gewesen, sich nicht zu bewegen, um die Sache nicht zu verschlimmern, wollte sie jetzt einzig von der Tafel flüchten, ehe sie am eigenen Leib erfahren durfte, was wahre Demütigung bedeutete. Fieberhaft kramte sie nach einem Vorwand, um entfleuchen zu können. Doch als das Reißen erneut ertönte, verwarf sie jede Erklärung und sprang einfach auf.
Der Zeitpunkt war schlecht gewählt. Ein Diener, der ein Tablett mit einem großen Schinken trug, war hinter Paen und ihr stehen geblieben. In ihrer Hast rempelte Avelyn den arglosen Mann an. Das Tablett kippte, und der Schinken glitt hinunter. Ohne nachzudenken, beugte sie sich vor, um ihn aufzufangen, was sich als Fehler erwies. Dieses Mal war das Reißen nicht zu überhören. Sie erstarrte, die Hände auf dem Schinken, der in den Binsen gelandet war.
„Avelyn?“, fragte ihre Mutter unsicher. Avelyn schloss die Augen und betete. Bis jetzt war nur das Tuch gerissen. Das Kleid hielt noch, aber sie wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis auch die Nähte nachgeben würden. Bitte, Gott, lass mich wenigstens noch die Treppe schaffen, flehte sie innerlich und richtete sich mitsamt Schinken auf.
Doch Gott schien anderweitig beschäftigt. Avelyn stand kaum aufrecht, als das Kleid aufplatze wie die Haut einer überreifen Traube. Unwillkürlich drückte sie sich den Schinken an die Brust, um sich hinter ihm zu verstecken, doch der war wohl nicht groß genug, wie sie daran erkennen konnte, wie Paen sie ansah.
„Avelyn!“, keuchte ihre Mutter entsetzt in die plötzliche Stille hinein. Alle starrten Avelyn an.
Tränen der Scham traten ihr in die Augen. Sie biss sich auf die Unterlippe und schüttelte nur
Weitere Kostenlose Bücher