Die Braut des Ritters
sorgsam ausgesucht hatte, seinen Reiz verloren. Im Geiste sah sie sich als riesige kugelrunde Blaubeere, aus der ihr Kopf wie ein Stängel aufragte.
Unglücklich befühlte sie das Kleid. Es war aus einem wunderbaren Stoff, aber selbst das wunderbarste Tuch konnte ein albernes, fettes Huhn nicht in einen Schwan verwandeln.
„Mylady? Soll ich die Schultern nun enger machen?“, fragte Runilda.
„Aye.“ Avelyn ließ den Stoff durch die Finger gleiten und straffte den Rücken. „Und die Taille, und trenn den überschüssigen Stoff heraus.“
Die Magd riss die Augen auf. „Die Taille? Da sitzt das Kleid doch tadellos.“
„Noch“, stimmte Avelyn zu. „Aber nicht mehr am Hochzeitstag, denn ich schwöre hier und jetzt, dass ich vorher mindestens fünfzehn Pfund abnehmen werde -dreißig, so Gott will.“
„Oh, Mylady, ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ...“
„Ich aber“, erwiderte Avelyn fest. Sie lächelte entschlossen, als sie vom Tisch auf die Bank und von dort auf den Boden stieg. „Ich werde vor der Hochzeit dreißig Pfund abnehmen, keine Widerrede. Einmal im Leben will auch ich hübsch und schlank sein und ... anmutig. Paen Gerville soll stolz auf seine Braut sein. “
1. Kapitel
Schon seltsam.“
„Hm?“ Die gemurmelten Worte ließen Lady Christina Gerville überrascht von ihrem Mahl aufschauen. Ihr Blick wurde weich, als sie ihn auf dem Mann ruhen ließ, der zwischen ihr und ihrem Gemahl saß -Paen Gerville, ihr Sohn. Sein langes dunkles Haar war locker im Nacken gebunden. Er war rasiert und trug die neue waldgrüne Tunika, die sie ihm eigens für diesen feierlichen Anlass genäht hatte. Er sah fast aus, wie sein Vater an dessen Hochzeitstag ausgesehen hatte: attraktiv, stark und, wie sie amüsiert feststellte, genauso mürrisch. Was hatte er da gerade gemurmelt? Ach, richtig. „Was ist seltsam?“ „Das hier.“ Mit einer ausladenden Geste wies Paen auf Tische und Gäste. Lord und Lady Straughton und das gesamte Burgvolk waren da - bis auf eine Ausnahme. Die wichtigste Person nämlich fehlte. „Wo ist meine Braut? Ist doch seltsam, dass sie nicht längst hier ist. Als wir gestern Abend ankamen, war sie auch nirgends zu sehen. Da ist bestimmt etwas faul.“
Lady Gerville tauschte einen belustigten Blick mit ihrem Gemahl Wimarc, der mit Lord Straughton in ein Gespräch vertieft gewesen war, die letzten Worte Paens aber gehört hatte.
„Gar nichts ist hier faul, Junge“, versicherte er seinem Sohn. „Die Dame wird einfach nur ... nun ... also, sie wird sich einfach nur schön machen. Mit diesem Weiberkram beschäftigt sein. Frauen sind stets die Letzten an der Tafel.“ Als seine Gemahlin ihn ungnädig ansah, räusperte er sich und versuchte mit einem Lächeln zu überspielen, dass er soeben die gesamte Damenwelt über einen Kamm geschoren hatte. „Nun, wie dem auch sei, zerbrich dir nicht den Kopf. Was dich so unruhig macht, ist nur das Heiratsfieber, von dem ich dir erzählt habe.“
Er unterstrich seine aufmunternden Worte mit einem, wie er meinte, sachten Knuff, der seinen nicht eben schmächtigen Sohn fast von der Bank fegte. Aber Paen -der die liebevollen Knüffe und Stöße seines Vaters gewohnt war - konnte sich gerade noch an der Tischplatte festhalten und so verhindern, dass er höchst unwürdig in den Binsen landete.
Brummend richtete er sich wieder auf, griff nach einem Stück Käse und nahm einen Bissen, den er kaum schmeckte. Unverwandt starrte er auf die Treppe. Jeden Augenblick nun musste seine Braut die Stufen herabkommen. Er wusste, dass sein Vater recht hatte und er heute ungewöhnlich unruhig war, konnte aber nicht sagen, woran das lag. Die Unruhe hatte sich ganz unverhofft eingestellt. Auf dem Weg hierher war er noch kein bisschen verunsichert gewesen. Dazu hatte es keinen Anlass gegeben. Schließlich holte er nur seine Braut, seine zukünftige Frau.
Zugegeben, dies war Neuland für ihn, aber so anders, als sich einen Knappen zuzulegen, konnte es nicht sein. Was er ebenfalls im Rahmen dieser Reise zu tun gedachte. Er wollte das Mädchen heiraten und danach ein paar Tage auf Straughton bleiben, ehe er wieder nach Gerville aufbrechen und auf dem Weg seinen neuen Knappen einsammeln würde. Simpel. Kein Grund, die Pferde scheu zu machen.
So jedenfalls hatte Paen auf dem Ritt hierher gedacht. Heute Morgen allerdings waren ihm leise Zweifel gekommen. Plötzlich war ihm aufgegangen, dass eine Gemahlin vielleicht doch etwas anderes war als ein Knappe. Einen
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