Die Braut des Shawnee-Kriegers
wirklich, warum versuchst du es nicht?"
Drohend zog er die Brauen zusammen. Dann stieß er langsam den Atem aus, und Clarissa wusste, dass sie einen Sieg errungen hatte … wenn es auch nur ein kleiner war. "Setz dich", brummte er.
"Hier?" Sie schaute auf einen pilzbewachsenen Baumstamm.
"Wo du willst, das ist mir gleichgültig. Hauptsache, du hältst den Mund, während ich mich um deine Füße kümmere. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns."
"Wie weit?" Scheinbar widerstrebend ließ sie sich auf den Baumstamm sinken. Sie war zu Tode erschöpft, wollte es sich aber nicht anmerken lassen. "Wo bringst du mich hin?"
"Zu der Stelle, wo ich mein Kanu gelassen habe." Er ließ sich auf ein Knie nieder und untersuchte stirnrunzelnd ihre verschrammte, mit Blasen übersäte Fußsohle.
"Und von da aus?"
"In mein Dorf, flussabwärts."
"Und was wird dann aus mir?" Ihre Stimme wurde zu einem erstickten Flüstern, als ihr der Ernst ihrer Lage voll zum Bewusstsein kam. Dies war kein Spiel, kein müßiges Kräftemessen. Es ging um ihr Leben.
Mit gesenktem Kopf und besorgter Miene zog er die Dornen und Steinchen heraus, die sich in das zarte Fleisch gebohrt hatten.
"Du hast noch nicht geantwortet", sagte sie mit gespielter Tapferkeit. "Was geschieht, wenn wir dein Dorf erreichen?"
"Du wirst vor den Rat gebracht", antwortete er, ohne den Blick von ihrem Fuß zu heben. "Und du wirst geprüft."
"Geprüft?" Unwillkürlich zuckte sie zurück. "Wozu?"
Er schaute zu ihr auf, und seine blauen Augen wirkten frostig. "Um zu sehen, ob du es wert bist."
"Wert?" Clarissas Herz begann heftig zu klopfen.
"Ja", antwortete er leise. "Wert zu leben."
3. Kapitel
Wolf Heart bemerkte sehr wohl, dass ihre Augen sich weiteten. Er sah die Angst, die in ihren grünen Tiefen lauerte, und er spürte die Spannung in ihrem schmalen weißen Fuß, den sie auf sein gebeugtes Knie gestützt hatte. Die Kleine hatte Schneid, vielleicht mehr, als gut für sie war.
Anfangs, als sie sich ihm widersetzt, ihn sogar herausgefordert hatte, war sie ihm einfach nur töricht erschienen. Jetzt erkannte er, dass sie sich der Gefahr in ihrem vollen Ausmaß bewusst war. Trotzdem verbarg sie ihre Furcht hinter vorgetäuschter Tapferkeit.
"Wie heißt du?" fragte sie und musterte ihn eingehend.
"Wolf Heart", antwortete er ruhig und zog einen besonders widerspenstigen Dorn aus ihrer Ferse. Sie zuckte zusammen, und ein kleiner Blutstropfen drang aus der Wunde. Wie war es nur möglich, dass sie mit diesen zerschundenen Füßen so weit gelaufen war, ohne sich zu beklagen?
"Ich meine deinen richtigen Namen", bohrte sie weiter.
Er warf ihr einen unmutigen Blick zu. "Das ist mein richtiger Name."
"Na schön, dann eben deinen früheren Namen. Den christlichen Namen meine ich."
"Seth Johnson." Die lang vergessenen Silben lösten sich nur schwer von seinen Lippen. Sie hinterließen ein Gefühl, als müsste er sich den Mund ausspülen.
"Ich heiße Clarissa, Clarissa Rogers", verkündete sie im scheinbar unbekümmerten Plauderton. "Darf ich dich Seth nennen?"
"Nein." Behutsam wischte Wolf Heart die letzten Schmutzreste von ihrem Fuß. Er wünschte, sie würde ihn endlich in Ruhe lassen, doch er wusste genau, dass sie weitere Fragen stellen würde. Bevor sie die Antworten kannte, würde sie sich nicht zufrieden geben.
"Da du mich ohnehin fragen wirst, ich wurde mit elf Jahren von den Shawnee adoptiert", berichtete er mit gleichmütiger Stimme. "Sie zogen mich auf wie ihr eigenes Kind. Ich bin ein Shawnee, und mein richtiger Name ist Wolf Heart."
Ein Schauer überlief Clarissa, als er ihren rechten Fuß hochhob und ihn für einen Augenblick mit beiden Händen umschloss.
"Haben die Shawnee dich auch auf die Probe gestellt, wie sie es mit mir tun werden?" fragte sie mit gesenkter Stimme.
"Ja." Er entfernte einen kleinen Stein aus ihrem Fußballen und drückte mit der Fingerspitze auf die Wunde, um die Blutung zu stoppen.
"Erzähl mir davon", forderte sie. "Ich will vorbereitet sein."
"Wenn es nötig ist, werde ich es dir schon sagen." Er betrachtete ihre zerschrammten, blutigen Beine und versuchte, nicht an den Spießrutenlauf zu denken, und daran, was der ihrem blassen Fleisch antun würde. In diesem Augenblick wünschte er sich aus tiefstem Herzen, dass ihr diese Prüfung erspart bliebe. Doch das widersprach allen Traditionen und Werten seines Volkes.
"Hast du Hunger?" unterbrach er das Schweigen, das sich über sie gesenkt hatte.
"Ein, zwei Bissen würden
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