Die Braut des Shawnee-Kriegers
ihrer Pflege ohne Widerrede. Nur der Zorn in seinem Blick verriet Clarissa, wie sehr er es hasste, so hilflos zu sein.
Während Swan Feather arbeitete, fungierte sie gleichzeitig als Lehrerin. Ihre Altfrauenstimme durchdrang das rauchige Dämmerlicht in der Hütte. Sie beschrieb jedes einzelne Kraut, erklärte, wie es gemischt und angewendet wurde. Clarissa hörte aufmerksam zu, froh über jede Ablenkung, die sie Wolf Hearts Nähe vergessen ließ. Mit jedem Tag lernte sie mehr von der Shawnee-Sprache und der Heilkunst der alten Indianerin. Es kam häufig vor, dass sie Swan Feathers Fragen im Voraus erahnte und die Antwort schon parat hatte. Wann durfte sie endlich selbst zur Anwendung bringen, was sie so eifrig erlernte? Als Clarissa Swan Feather diese Frage stellte, erhielt sie als Antwort nur ein Achselzucken.
Mehr und mehr überließ Swan Feather ihr die Aufgabe, die Kräuter zu sammeln, die sie brauchte. Clarissa hatte gelernt, die frischen Triebe der Schafgarbe im Gras zu finden und Disteln samt Wurzel auszugraben, ohne sich dabei in die Finger zu stechen. Sie wusste, wo man die beste Weidenrinde fand und wann man das Immergrün pflücken musste, das den schattigen Boden unter den Fichten bedeckte.
Sie genoss diese Ausflüge und die Freiheit, die sie ihr schenkten. Sie hatte sogar schon daran gedacht, bei einer solchen Gelegenheit einfach im Wald zu verschwinden und flussaufwärts nach Fort Pitt zu wandern. Doch die Risiken eines solchen Unternehmens waren einfach zu hoch. Um ihr Überleben zu sichern, brauchte sie zwei Dinge – ein Pferd und Proviant. Bisher hatte sie weder das eine noch das andere.
Als sie an diesem Tag mit ihrem leeren Korb durchs Dorf wanderte, nickten die Leute ihr im Vorbeigehen zu und grüßten herüber. Die Kinder tollten furchtlos und lachend um sie herum, und selbst die Hunde, die anfangs bei ihrem Anblick gebellt und geknurrt hatten, hoben jetzt die Köpfe und wedelten mit dem Schwanz.
White Moon, die Frau des Häuptlings, kam gerade aus der Ratshütte. Bei Clarissas Anblick breitete sich ein Lächeln über ihr Gesicht. "Ich wollte gerade zu dir kommen, um mit dir zu sprechen", sagte sie. "Die jungen Frauen möchten dich gern in ihrer Mannschaft haben. Es geht um das Ballspiel vor dem Frühlingsbrottanz."
"Der Frühlingsbrottanz?" Clarissa blinzelte verdutzt. Im Geiste sah sie einen Haufen Shawnee um einen Brotlaib tanzen, der wie ein geschmückter Maibaum geformt war. Einfach absurd! Und unter einer Ballspiel-Frauenmannschaft konnte sie sich überhaupt nichts vorstellen.
"Es macht viel Spaß", versicherte White Moon. "Die Frauen spielen gegen die Männer, und die Verliererpartei muss das Holz für das große Freudenfeuer sammeln, das am nächsten Abend angezündet wird. Wir werden tanzen, singen und feiern … Überrascht dich das? Warum?"
"Ich … weiß nicht …", stotterte Clarissa und wurde rot. Verzweifelt suchte sie nach den richtigen Worten.
"Du wusstest nicht, dass unser Volk sich gern vergnügt?" White Moon lachte. "Kokomthena, unsere Urmutter, hat Männer und Frauen geschaffen, damit sie das Leben auskosten und sich aneinander erfreuen. Wenn sie vom Mond herabblickt und sieht, dass wir feiern, tanzen und uns lieben, dann ist sie froh."
Clarissa schluckte. "Es ist nur so, dass ich euer Ballspiel nicht kenne", sagte sie ausweichend. "Ich wüsste gar nicht, was ich machen soll. Das wäre sicher kein Vorteil für die Mannschaft."
Wieder lachte White Moon. "Wenn eine Frau so viel Mut zeigt wie du beim Spießrutenlauf, dann bewährt sie sich auch beim Ballspiel. Außerdem dauert es noch einen halben Mond bis dahin. Du hast also noch viel Zeit zum Lernen und Üben."
"Aber ich muss doch Swan Feather helfen", platzte Clarissa heraus. Sie war froh, dass ihr diese Ausrede eingefallen war. "Sie braucht mich."
"Swan Feather wird dir freigeben, damit du für das Spiel üben kannst. Es wird ihr zur Ehre gereichen, wenn du spielst." Lächelnd wandte White Moon sich zum Gehen. "Die Frauen treffen sich fast jeden Tag auf der Lichtung, wenn die Sonne über dieser hohen Kiefer dort steht. Alle werden sich freuen, wenn du kommst."
Bestürzt schaute Clarissa White Moons anmutiger Gestalt nach. Dort, wo sie herkam, gab eine Dame sich nicht mit Ballspielen ab, erst recht nicht, wenn es gegen eine Männermannschaft ging. Worauf hatte sie sich da eingelassen? Und wichtiger noch, wie konnte sie sich da nur wieder herauswinden?
Missmutig schwang sie ihren Korb hin und her, während sie
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