Die Braut des Shawnee-Kriegers

Zustand, sondern auch um sein Gemüt. Was hatte dieses barbarische Ritual des Fastens und der Einsamkeit ihm angetan? Was war das für eine unmenschliche Gesellschaftsordnung, die dergleichen von einem Mann verlangte?
    Bevor sie ihren trüben Gedanken noch weiter nachhängen konnte, brach Cat Follower aus dem Gebüsch oberhalb des Erdrutsches, gefolgt von drei weiteren Kriegern. Einer von ihnen trug zwei lange, dicke Stangen und eine Hand voll Lederstreifen. Ein anderer hatte eine Decke bei sich. Cat Follower hielt eine Kürbisflasche in der Hand … Wasser. Als Clarissa die Flasche sah, ließ sie sich erleichtert auf die Fersen zurücksinken. Tränen trübten ihren Blick.
    Die Krieger verlangsamten ihre Schritte, während sie den gefährlichen, schlüpfrigen Abhang herunterkamen. Clarissa kam es vor wie eine Ewigkeit, bis sie die Stelle erreichten, wo Wolf Heart lag, den Kopf in ihren Schoß gebettet. Cat Follower drückte ihr die Kürbisflasche in die Hand und half dann den anderen Kriegern, Schutt und Erdreich um Wolf Hearts Körper herum wegzuräumen.
    "Vorsicht!" Clarissa hob seinen Kopf ein wenig an, hielt Wolf Heart den Hals der Kürbisflasche an die Lippen und sah zufrieden zu, wie er durstig trank. "Nicht so hastig, sonst wird dir übel", mahnte sie sanft. "Wie fühlst du dich jetzt? Kannst du sagen, wie schwer du verletzt bist?"
    "Ich … weiß nicht. Die Vision … Hunts-at-Night … bringt ihn her …" Nachdem er seine Kehle angefeuchtet hatte, fiel ihm das Sprechen nicht mehr so schwer, doch nichts, was er sagte, ergab für Clarissa einen Sinn. Er war offenbar noch immer nicht richtig bei Bewusstsein.
    "Es ist alles gut." Wieder strich sie zärtlich mit einer Hand über sein Gesicht und wünschte, sie könnte ihren eigenen Worten glauben. "Versuch nicht mehr zu sprechen. Warte noch ein bisschen damit."
    Inzwischen hatten Cat Follower und die anderen Krieger ihn völlig von Schutt und Erde befreit. Arme und Beine schienen nicht gebrochen zu sein, doch wer mochte beurteilen, was für Verletzungen unter all dem Schmutz auf seinem Körper verborgen waren?
    Zwei der Krieger hatten aus den Stangen und Decken eine provisorische Trage gebaut. Clarissa wandte den Blick nicht von seinem Gesicht, als sie sie neben Wolf Heart legten. Seine Augen standen offen und schauten nach oben, als sähen sie etwas, das niemand sonst erblicken konnte. "Seid vorsichtig", flüsterte sie, als die Krieger sich ihm näherten. "Tut ihm nicht weh …"
    Sie brach ab, als sein Gesicht sich vor Schmerz verzerrte. Cat Follower hatte die Hände unter seinen Rücken gelegt, um Wolf Heart auf die Trage zu heben, und die Schmerzen setzten ihm dabei offenbar heftig zu. Nur die fest zusammengebissenen Zähne verhinderten, dass er vor Schmerz aufschrie. Gebrochene Rippen, konstatierte Clarissa besorgt. Wie viele gebrochen waren und in welchem Zustand sie sich befanden, musste sich erst noch herausstellen.
    Cat Follower war bei seinem zweiten Versuch noch vorsichtiger. Als seine Freunde Wolf Heart auf die Trage legten, perlten Schweißtropfen auf seinem fahlen Gesicht, doch er zuckte nicht und schrie auch nicht auf. Die vier Krieger hoben die Trage an, zwei auf jeder Seite. Dann setzten sie sich in Bewegung, um Wolf Heart im Dauerlauf zurück ins Dorf zu bringen. Sie liefen so schnell, dass Clarissa kaum folgen konnte.
    "Nicht so schnell … das macht seine Schmerzen ja nur schlimmer!" rief sie, während sie den Männern hinterherlief. Sie hatte jetzt schon Seitenstiche. Wolf Hearts Augen waren geschlossen, und er biss die Zähne fest zusammen, um sich gegen die heftigen Schmerzen zu stählen. Sein Gesicht war noch immer aschgrau.
    Im Dorf hatte sich die Kunde von Wolf Hearts Unfall bereits herumgesprochen, und ein ganzer Pulk Menschen kam ihnen entgegen. Allen voran eilte Swan Feather, die Befehle erteilte wie ein zu klein geratener General.
    "Bringt ihn in meine Hütte!" Trotz ihrer arthritischen Beine hielt sie mit den Kriegern Schritt. "Passt doch auf, und stoßt ihn nicht so herum! Ihr habt da einen verletzten Mann und keinen toten Rehbock. Und ihr anderen, aus dem Weg mit euch!"
    Die Menge gehorchte der zerzausten alten Frau und teilte sich respektvoll. Hier war Swan Feather zuständig, hier hatte sie das Sagen. Ganz außer Atem und von Seitenstichen geplagt, folgte Clarissa der Prozession. Sie hatte nur einen Gedanken … Sie musste in Wolf Hearts Nähe bleiben.
    Von Swan Feathers barschen Befehlen geleitet, trugen die vier Krieger Wolf