Die Braut des Shawnee-Kriegers
Dunkelblau. Clarissa sah ihn durch einen Tränenschleier an. Wenn er ihr seine Liebe angeboten hätte, dann wäre es vielleicht anders gewesen. Aber sie konnte nicht ihre Zukunft opfern, nur um die Gefühle einer alten Frau nicht zu verletzen. Es würde keine Bekanntmachung geben und auch keine öffentliche Weigerung, denn am Tag vor dem Fest würde sie verschwinden. Das war die einzige Antwort. Doch das konnte sie Wolf Heart natürlich nicht erklären.
"Was geschieht, wenn ich mich dagegen entscheide?"
"Nichts. Du wirst so weitermachen wie bisher."
"Als Sklavin?"
"Das Wort hast du gebraucht, nicht ich." Er bewegte sich neben ihr auf dem Felsen, und Clarissa spürte, wie traurig er war. "Vielleicht gibt Swan Feather dich jemand anderem, da sie ja gehofft hatte, eine Tochter zu bekommen und keine Dienerin."
"Ich verstehe." Sie nickte, schluckte und zwang sich dann, die notwendige Lüge auszusprechen. "Ich kann dir jetzt noch keine Antwort geben. Ich brauche Zeit, um darüber nachzudenken."
"Wie lange?" In seiner Stimme war keinerlei Argwohn.
"Bis morgen." Sie unterdrückte das aufwallende Schuldbewusstsein. "Morgen nach dem Spiel erfährst du meine Entscheidung.", fügte sie hinzu.
Er seufzte gereizt, dehnte die Schultern und bewegte die Beine. Clarissa spürte, dass er zu dem Thema noch viel zu sagen hätte. "Wenn ich es richtig sehe, sind deine Kleider oben auf dem Felsen", meinte er dann, ohne weiter auf ihre Antwort einzugehen.
"Ich kann selbst hinaufgehen." Sie spürte seine Kälte und wusste, dass sie noch viel Schlimmeres verdiente. "Du bekommst deine Decke später wieder. Ich lasse sie in Swan Feathers Hütte."
"Gib sie ihr als Geschenk von mir." Er sah zu, wie sie aufstand und die Decke fest um sich wickelte. Es war eine große Decke. Sie schleifte über den Boden und bedeckte ihre Füße, so dass es schwierig sein würde, die scharfkantigen Steine auf dem Weg zu vermeiden.
Clarissa hob das Kinn und setzte sich in Bewegung. Sie war entschlossen, den letzten Rest ihrer Würde zu wahren. Doch sie war nicht daran gewöhnt, barfuß zu gehen, und so war jeder Schritt mühselig. Als sie sich zum dritten Mal die Zehen anstieß, trat Wolf Heart, der ein paar Schritte hinter ihr ging, vor und schwang sie einfach auf die Arme.
"Das war nicht nötig." Sie schaute in sein unbewegtes Gesicht, insgeheim zutiefst dankbar. "Ich bin auch allein ganz gut zurechtgekommen."
"Dass ich nicht lache!" knurrte er und ging den steilen Weg so unbekümmert weiter, als wäre sie so leicht wie eine Feder. "Es war ja kaum mit anzusehen. Ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten."
"Du brauchtest ja nicht hinzuschauen."
Er blieb stehen. "Soll ich dich wieder absetzen?"
"Nein."
"Dann hör auf zu streiten." Er drückte sie leicht an sich, als der Weg schmaler wurde. Clarissa schmiegte sich an ihn und sog tief den vertrauten Duft seiner Haut ein. Der kleine lederne Medizinbeutel drückte gegen ihre Wange und erinnerte sie daran, wer Wolf Heart war, und weshalb es so zwecklos war, ihn zu lieben.
Was für eine fabelhafte Figur Seth Johnson in der Gesellschaft der Weißen gemacht hätte – groß, stark und gut aussehend, ein rechtschaffener, fleißiger und intelligenter Mann. Wie stolz sie gewesen wäre, an seiner Seite zu gehen, sein Heim zu teilen und ihm Kinder zu schenken. Was für eine schreckliche Verschwendung ihrer beider Leben, nur weil er so ein verstockter, unerträglich stolzer Shawnee war!
Clarissa schloss die Augen und gab sich ganz dem Augenblick hin. Sie hörte den leisen Schlag seines Herzens und spürte das Heben und Senken seiner Brust. Sie genoss das warme, starke, köstliche Gefühl seiner Nähe … Denn sie wusste, dass es das letzte Mal war.
Mit Clarissa in den Armen, erklomm Wolf Heart den Weg, und die Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf. Ein Teil von ihm wünschte sich, sie abzusetzen, an den Schultern zu packen und die Wahrheit aus ihr herauszuschütteln. Der andere Teil jedoch sehnte sich danach, sie in den Schatten der Felsen zu tragen, die Decke auszubreiten und jede Linie ihres wunderschönen Körpers zu liebkosen – die süßen rosa Knospen ihrer Brüste zu küssen und das Gesicht an ihren samtigen, weichen Leib zu pressen. Ihr Blut in Wallung zu bringen, sie zu erregen und zu lieben, bis sie um Gnade flehte.
Er hatte sie für einen Augenblick an der Felskante stehen gesehen. Das rote Haar hatte ihren Kopf und ihre Schultern umwogt, als ihr blasser, schlanker Körper über den Rand
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