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Die Braut des Shawnee-Kriegers

Die Braut des Shawnee-Kriegers

Titel: Die Braut des Shawnee-Kriegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lane
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sprang. Der Anblick hätte jeden Mann um den Verstand gebracht. Er hatte sinnliches Verlangen schon früher erfahren und gelernt, damit umzugehen. Aber diese Zärtlichkeit, dieser überwältigende Wunsch, einer Frau nah zu sein, sie so gut zu kennen wie sich selbst … das war neu für ihn. Die Stärke seiner Gefühle überraschte ihn. Logik und Vernunft hatten das Nachsehen, wenn er mit Clarissa zusammen war, und das konnte nichts Gutes bedeuten. Wenn er je Logik und Vernunft gebraucht hatte, dann jetzt.
    Sie plante ihre Flucht. Das hatten ihr unsteter Blick und ihre ausweichenden Worte ihm verraten. Ihm war klar, dass sie nicht mehr lange warten würde. Sie hatte ihm versprochen, ihm morgen ihre Meinung zu Swan Feathers Wunsch zu erklären, nach dem Ballspiel. Wolf Heart ahnte, dass sie ihm ihre Ablehnung nicht in Worten erteilen würde. Wenn das Spiel beendet war, würde Clarissa fort sein.
    Würde er sie gehen lassen? Konnte er es?
    Dort, wo der Weg endete, erhob sich der Felsen dunkel gegen den dämmrigen Himmel. Auf der Krone einer zerzausten Kiefer entfaltete ein großer Graureiher seine Schwingen, streckte die Beine und glitt wie ein silbernes Phantom hinab zum Fluss. Im kühlen Schatten stimmten die Grillen ihr Lied an.
    Clarissa hatte auf dem Weg kaum gesprochen … ziemlich ungewöhnlich für jemanden, der sonst so gesprächig war. Doch hinter ihrem Schweigen spürte Wolf Heart, wie es in ihrem Kopf arbeitete. Sie schmiedete Pläne, wog ein Risiko gegen das andere ab.
    Wann wird es geschehen? Er überlegte, ob er sie fragen sollte. Wirst du heute Nacht gehen, wenn Swan Feather schläft? Oder morgen, wenn sie bei den Vorbereitungen für das Festmahl hilft? Welchen Augenblick wirst du wählen, um sie zu verraten?
    Er konnte sie hier und jetzt zur Rede stellen, aber ohne Beweise würde sie mit Sicherheit alles abstreiten und ihn einen misstrauischen Spinner nennen. Ihm blieb nichts weiter übrig, als abzuwarten, bis sie in Aktion trat, ob es ihm nun passte oder nicht.
    Und was dann?
    Als sie sich der Felskuppe näherten, regte sie sich in seinen Armen. "Von hier aus kann ich allein weiter", sagte sie.
    "Wo sind deine Sachen?" Er machte keine Anstalten, sie abzusetzen.
    "Da drüben in dem Gebüsch." Sie wies in die Richtung. "Außer meinem Schuh. Der ist … hm … im Baum. Ich habe damit nach einem schrecklich lästigen Vogel geworfen."
    "Ich sehe ihn. Ich werfe ihn dir zu." Trotz seiner schlechten Laune musste Wolf Heart sich ein Grinsen verbeißen. Aber sie sprachen wie Fremde miteinander, verbargen ihre wahren Gefühle hinter einer Maske der Höflichkeit. Was würde geschehen, wenn er seine Maske ablegen und offen sprechen würde? Würde Clarissa es auch tun, oder würde er sich ihr auf Gnade und Barmherzigkeit ausliefern?
    Sie hatten das Gebüsch erreicht, und er ließ sie hinunter. Clarissa hielt die Decke krampfhaft fest. "Also bis morgen", murmelte sie steif.
    "Ja." Er unterdrückte das Verlangen, sie in die Arme zu nehmen und das ganze unpersönliche Gerede auszulöschen. "Viel Glück beim Spiel. Wenn du wirklich dein Bestes geben willst, dann rate ich dir, das Kleid zu tragen, das White Moon dir geschenkt hat."
    Er merkte genau, dass ihr Widerspruchsgeist sich schon wieder regte, als sie sich mit einem Ruck von ihm abwandte. "Nein", sagte sie mit erstickter Stimme. "Nein, das glaube ich nicht."
    Bevor er ging, schaute er noch einmal in die Runde, um sich zu vergewissern, dass kein wildes Tier oder sonst etwas in der Nähe war, das ihr gefährlich werden könnte. Trotz allem war sie ihm teuer, diese gescheite, mutige Kindfrau. Er wusste nicht, was sie für ihn empfand, oder was er morgen tun würde, wenn sie einen Fluchtversuch wagte. Er wusste nur, dass die Nacht, die vor ihm lag, lang, unruhig und schlaflos sein würde.
     
    Clarissa erwachte am nächsten Morgen noch vor der Dämmerung. Eigentlich hatte sie gar nicht richtig geschlafen. Sie hatte sich im Grunde nur bemüht, still unter ihren Decken zu liegen, um Swan Feather nicht zu stören. Als die ersten blassen Lichtstrahlen durch die Rindenspalten in die Hütte fielen, empfand sie es wie eine Erlösung.
    Während die alte Frau noch schnarchte, stand Clarissa auf und legte Anmachholz auf die glimmenden Kohlenreste. Sie blieb eine Weile neben der Feuerstelle hocken und schaute zu, wie die blauen Flämmchen an den Spänen leckten. Dies, schwor sie sich, würde ihr letzter Tag als Gefangene der Shawnee sein.
    Sie goss ein wenig Wasser in einen

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