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Die Braut des Shawnee-Kriegers

Die Braut des Shawnee-Kriegers

Titel: Die Braut des Shawnee-Kriegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lane
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Sie musste nach draußen.
    Sie griff nach ihrem Kleid, musste jedoch feststellen, dass es sich hoffnungslos in den Dornen verfangen hatte. Sie zerrte dran, mit dem einzigen Erfolg, dass sie sich in die Finger stach und der Stoff sich nur noch mehr verhedderte. Ungeduldig ließ sie es los. Sie war allein hier oben, und es würde nur ein paar Minuten dauern, den Mokassin aus dem Baum zu holen. Dann konnte sie in aller Ruhe das Kleid aus dem Dornbusch befreien.
    Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass niemand in der Nähe war, schlüpfte sie aus dem Versteck heraus auf den Weg.
    Einen Augenblick blieb sie unbeweglich stehen, ganz benommen von dem Gefühl, fast unbekleidet hier draußen zu stehen. Der warme Wind war so angenehm auf der nackten Haut, dass sie vor Vergnügen erschauerte. Sie warf die Arme in die Luft und drehte sich im Kreis wie ein ausgelassenes Kind, trunken von dem ungewohnten Gefühl der Freiheit. Ihr wurde klar, dass sie sich diese neue Erfahrung gewünscht hatte. Schon die ganze Zeit hatte sie es sich gewünscht. Der Mokassin im Baum war nur eine Ausrede gewesen.
    Ihr ganzer Körper prickelte vor Erwartung, als sie an den Felsrand trat und in das kristallklare Wasser hinunterschaute. Es war fast so blau wie Wolf Hearts Augen. Sie stellte sich vor, wie es wäre, ins Nichts zu springen und kopfüber hinunter zu tauchen, wie die jungen Shawnee-Mädchen es taten. Dann zu spüren, wie das Wasser sie aufnahm und die Wellen über ihre nackte Haut spielten. Ob das möglich war? Ob sie es wirklich schaffen konnte?
    Eine Gänsehaut überlief sie, als sie hinunter in die Tiefe schaute. Der Teich kam ihr plötzlich sehr klein und sehr weit weg vor. Nein, zu solch einem Sprung war sie noch nicht bereit, und da sie plante, am nächsten Tag zu fliehen, würde es auch nie dazu kommen. Sie würde jetzt den Mokassin holen, zurück ins Gebüsch gehen, ihre Kleider anziehen und feige zu Fuß hinunter zum Teich gehen.
    "Clarissa?" Es war Wolf Hearts tiefe, volltönende Stimme. Ihr Herz stockte, als sie das Rascheln im Unterholz hörte und den vertrauten Rhythmus der Schritte, die immer näher kamen.
    "Clarissa?"
    Es war keine Zeit mehr, die Kleider zu holen oder auch nur im Schutz des Dickichts zu verschwinden. Als Wolf Heart in Sichtweite kam, tat Clarissa das Einzige, was ihr jetzt noch übrig blieb.
    Sie sprang über die Klippe.

12. Kapitel
     
    Clarissas Sprung war kein eleganter Schwalbensprung, wie sie ihn bei den Mädchen so oft bewundert hatte. Es war ein in höchster Not ausgeführter Plumps, Füße voran, mit wedelnden Armen und offenem Mund. Ein angsterfülltes Quietschen konnte sie gerade noch unterdrücken. Mit einem gewaltigen Platscher schlug sie auf dem Wasser auf und sank wie ein Stein auf Grund.
    Nachdem sie den ersten Schreck überwunden hatte, stieß sie sich kräftig am Teichboden ab. Sekunden später kam sie prustend an die Oberfläche. Ohne weiter nachzudenken, wandte sie sich den Felsen zu, um aus dem Wasser steigen zu können. Erst als sie festen Boden unter den Füßen spürte, fiel ihr ein, dass sie Kleid und Unterwäsche oben in dem Brombeergebüsch gelassen hatte. Sie trug nichts am Leib außer dem winzigen Lederkleidchen.
    Verunsichert blieb sie, wo sie war. Sie paddelte mit den Händen, um nicht unterzugehen, und suchte mit den Augen die Felskante ab. Irgendwo dort oben war Wolf Heart und beobachtete sie. Vermutlich genoss er die Situation in vollen Zügen. Wie sie ihn kannte, würde er einfach warten, bis Kälte und Müdigkeit sie aus dem Wasser trieben. Wenn sie dann halb nackt und zitternd den Weg hinaufkam, würde er sich wieder unbarmherzig über sie lustig machen. Ach, was soll's, dachte Clarissa, morgen um diese Zeit bin ich auf dem Weg nach Fort Pitt und kann diesen ganzen beschämenden Zwischenfall vergessen.
    "Du kannst ebenso gut rauskommen!" rief sie laut, und ihre Stimme hallte an den Felsen wider. "Ich weiß genau, dass du dort oben bist!"
    Keine Antwort.
    "Du machst mir nichts vor, Seth Johnson!" Wenn sie ihn bei seinem christlichen Namen rief, würde ihn das vielleicht dazu bringen, sich zu zeigen. "Komm schon! Sei einmal in deinem Leben ein Gentleman und bring mir meine Kleider!"
    Die einzigen Geräusche, die sie hörte, waren das Plätschern der Quelle und das Echo ihrer eigenen Worte.
    Was jetzt?
    Ein paar Minuten schwamm Clarissa im Kreis, um sich warm zu halten und Mut zu fassen. Sie musste unbedingt aus dem Wasser und hinauf zum Felsen. Die Sonne stand schon tief.

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