Die Braut des Vagabunden
zu. „Ihr könnt jetzt gehen.“
„Aber ich habe noch nicht bekommen, weshalb ich hierher kam.“ Geschickt fing er die Münze auf.
„Was ist das?“ Temperance sah ihn misstrauisch an.
„Mein vornehmer Gönner, der Verfasser dieser Verse, möchte Eure Meinung hören.“
Temperance erstarrte. „Wer ist Euer vornehmer Gönner?“
„Er möchte ungenannt bleiben.“
„Davon bin ich überzeugt. Bitte sagt ihm, ich weiß das Bild zu schätzen, das er von mir und meinem Gemahl fertigte. Seine Verse sind allerdings recht unbeholfen. Ich denke, er sollte diese Kunst sorgfältiger studieren, ehe er sein Werk der Welt offenbart.“
„Ich werde Eure Botschaft übermitteln. Euch einen guten Tag, Duchess. Mögt Ihr noch weitere gierige, unehrliche Männer mit Eurem Hieb niederstrecken.“ Der Fährmann stieß sich von den Stufen ab und begann, flussabwärts zu rudern.
Temperance sah ihm gedankenverloren nach, ehe sie in den Garten zurückging und die Dienstboten anwies, das Tor zu schließen. Zum ersten Mal fragte sie sich, ob die gewöhnlichen Londoner mehr mit ihr fühlten, als sie gedacht hatte. Die Krise würde erst vorüber sein, wenn wichtige und mächtige Männer überzeugt waren, dass Jack die Wahrheit sagte und Vivien log – aber es würde nichts schaden, wenn Lieder und Pamphlete, die in Umlauf waren, Jack bevorzugten.
„Habt Ihr Lord Windle wirklich mit dem Degen getroffen?“, fragte Isaac.
„Ich habe ihn überhaupt nicht geschlagen!“, sagte Temperance. „Weder mit einem Degen noch mit sonst irgendetwas. Du solltest nicht alles glauben, was du hörst, Isaac.“
„Isaac erzählte mir, du würdest in deinen Rockfalten einen Stock tragen, um Leute zu schlagen, wenn sie dir wehtun wollen“, sagte Toby. „Trägst du ihn jetzt auch?“
„Nein“, erwiderte Temperance.
Toby runzelte die Stirn. „Warum nicht? Wie willst du die böse Vivien daran hindern, mich zu stehlen, wenn Papa nicht hier ist, ohne deinen Stock?“
Temperance führte ihn zurück zu der Bank. Sie setzte sich und zog ihn an sich.
„Vivien wird nicht versuchen, dich zu stehlen, Toby“, sagte sie mit ruhiger, fester Stimme.
Sie glaubte nicht, dass Toby das Lied des Fährmanns wirklich verstand, und sie war auch nicht sicher, ob ihm klar war, dass Vivien seine Mutter war, daher sagte sie nichts weiter. Jack würde entscheiden müssen, wie viel und wann er Toby von Vivien erzählte.
„Dieser Teil des Liedes ist erfunden“, sagte Temperance. „Wie die Behauptung, dass ich Lord Windle mit einem Schwert geschlagen habe. Woher sollte ich bei den Festlichkeiten bei Hofe ein Schwert haben? In dem Lied kommt es nur vor, um die Geschichte aufregender zu machen, aber es stimmt nicht.“
„Es ist eine Lüge“, sagte Toby.
„Ja. Niemand wird dich fortholen. Und wenn jemand es versucht, dann werde ich ihn daran hindern. Das verspreche ich.“
Toby sah sie an. Sie erwiderte seinen Blick, und dabei schlug ihr Herz voller Hoffnung, als sie versuchte, ihn zu überzeugen. Doch sie wusste, sie konnte ihn nicht dazu zwingen. Endlich, als er zu akzeptieren schien, was sie sagte, legte sie die Arme um ihn und zog ihn an sich. Einen Moment lang stand er ganz still da, bevor er sich an sie lehnte. Dieser kurze Moment erfüllte sie mit Wärme und ließ ihr die Tränen in die Augen steigen. Sie drückte ihn fester, entschlossen, dafür zu sorgen, dass ihm nie jemand Schmerz zufügte.
Er legte die Hände auf ihre Schultern und trat ein Stück zurück, um sie stirnrunzelnd anzusehen. „Solange Papa nicht hier ist, musst du den Stock tragen“, sagte er. „Wir gehen jetzt und holen ihn.“
„Nun …“ Obwohl Toby an ihrer Hand zog, zögerte Temperance. Unter den Ruinen Londons war ihr Stock zu Asche verbrannt, und sie hatte ihn nie ersetzt. Doch es dürfte den Dienstboten keine Schwierigkeiten bereiten, für Ersatz zu sorgen und für einen Gürtel, an dem sie ihn befestigen konnte. Unter dem Rock, oder sogar darüber, denn vor allem sollte er Toby ein Gefühl von Sicherheit geben.
„Sie braucht keinen besonderen Stock, um dich zu verteidigen, Toby. Alles, was ihr in die Hände gerät, ist dafür geeignet.“
Beide, sowohl Temperance als auch Toby, zuckten zusammen, und Toby klammerte sich an sie, bis er Lord Halross erkannte, der auf dem Pfad stand, ein Stück weit weg. Beruhigt, dass es kein Kinderdieb war, ließ Toby allmählich ihre Hand los, hielt sich aber weiter nahe an Temperance.
„Verzeiht, Mylord, wir haben Euch nicht
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