Die Braut des Vagabunden
gesehen“, sagte sie.
„Ich wollte nicht stören.“ Bei ihrer Entschuldigung winkte er ab und setzte sich auf eine niedrige Mauer. „Toby, du kannst sicher sein, dass Ihre Gnaden – Temperance – dich furchtlos verteidigen wird“, sagte er, wobei er sich direkt an Toby wandte. „Jetzt sieh mich an. Sehe ich für dich aus wie ein großer, starker Mann, mit dem man sich nicht anlegen sollte?“
Toby betrachtete Halross, dann nickte er langsam. „Papa hat keine Angst vor Euch“, sagte er. „Wenn Ihr mit ihm kämpft, würde er gewinnen.“
Halross lächelte. „Darüber werden wir nicht streiten, denn das wird nicht geschehen. Bist du denn der Meinung, dass gewöhnlichere Menschen als dein Papa vielleicht nicht wagen würden, meinen Zorn zu erregen?“
Wieder nickte Toby. Temperance biss sich auf die Lippe, weil sie bereits ahnte, worauf Halross’ Geschichte abzielte. Seit sie entdeckt hatte, dass er mit Jacks Cousine vermählt war, hatte sie befürchtet, der Marquis könnte sich an jene Begegnung acht Jahre zuvor erinnern, als er ein überheblicher Zweiundzwanzigjähriger gewesen war und sie allein war im Laden ihres Vaters.
„Gut. Nun, es gab eine Zeit, als ich noch jünger war, aber auch schon genauso groß und stark, da besuchte ich Temperances Laden und benahm mich – nun ja – sehr hässlich“, sagte Halross.
Temperance warf einen Blick zu Isaac und Toby und stellte fest, dass beide Halross mit offenen Mündern anstarrten. Offensichtlich konnten sie sich nicht vorstellen, dass so ein vornehmer und beeindruckender Mann sich jemals hässlich benehmen konnte.
„Was habt Ihr getan?“, wollte Toby wissen.
„Ich habe einen Fleischkuchen in ihrem Laden gegessen und überall Flecke hinterlassen, obwohl sie mich aufgefordert hatte, das nicht zu tun“, sagte Halross.
Isaac stockte der Atem. Toby, der als Sohn eines Dukes sein Leben lang von Dienstboten umsorgt worden war, schien weniger beeindruckt. „Ist das alles?“
„Es war sehr unhöflich ihr gegenüber“, meinte Halross. „Und es bereitete ihr unnötige Arbeit.“
„Was hat sie getan?“, fragte Isaac gespannt. Er war Temperances Lehrjunge gewesen und wusste, dass sie so etwas nicht einfach hinnahm.
„Sie hat mir mit ihrem Maßstock eins übergezogen“, sagte Halross. „Und mich aus dem Laden geworfen. Du siehst also, Toby, du musst keine Angst haben, wenn du mit ihr zusammen bist, denn sie wird dich immer verteidigen, so wie sie ihren Fußboden vor mir verteidigt hat, und genauso tapfer, wie sie deinen Papa vor zwei Nächten vor dem gesamten Hof verteidigt hat.“
„Ich dachte, Ihr hättet es vergessen“, sagte Temperance, als die Jungen Ball spielten. „Es tut mir so leid, Mylord.“
„Das sollte es nicht. Ich verdiente es nicht anders“, erwiderte Halross. „Bisher gab es keinen Grund, das zu erwähnen. Aber ich hielt es für eine gute, einfache Geschichte, um Toby zu überzeugen, dass Ihr fähig seid, ihn zu beschützen. Ich muss zugeben, dass ich Eurem Gespräch ein wenig gelauscht habe, ehe ich mich einmischte.“
„Danke.“ Tränen stiegen Temperance in die Augen. „Ich danke Euch.“
„Jack trifft sich mit Lord Swiftbourne“, sagte sie nach einer Weile. „Ich – ich hasse es – ich hoffe, das alles klärt sich bald. Wenn ich könnte, würde ich Windle und Vivien mit meinem Maßstock grün und blau schlagen“, gab sie zu. „Ich kann es nicht dulden, dass sie Jack so verletzen.“
„Swiftbourne leitet die Ermittlungen, aber der König ist sehr daran interessiert, dass sich Lady Lacys Behauptungen als falsch erweisen.“
„Tatsächlich? Hat der König je …“ Temperance überlegte, ob Halross damit meinte, Vivien wäre einst Charles’ Geliebte gewesen.
„Nein.“ Halross sah sich um und senkte dann seine Stimme. „Bloß hat es Gerüchte gegeben über eine heimliche Eheschließung zwischen ihm und Lucy Walter während seiner Zeit im Exil. Wenn das nachgewiesen werden könnte, würde Lucys Sohn den Thron erben, nicht James, der Bruder des Königs. Diese Gerüchte haben Lady Lacy und Windle vermutlich auf die Idee zu ihrem Plan gebracht.“ Halross lächelte höhnisch. „Offensichtlich sind sie nicht darauf gekommen, dass Charles gar nicht will, dass ihre Behauptungen gegen Kilverdale bewiesen werden können. Es würde all jene ermutigen, die darauf spekulieren, dass er Lucy Walters Sohn als seinen Erben anerkennt oder seine Heirat mit der Königin ableugnet, um ihre eigenen Interessen zu
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