Die Braut des Vagabunden
stattgefunden?“, fragte die Duchess.
„Am Freitag vor dem Brand. Jack hat alles arrangiert.“
Temperance hielt den Atem an und bereitete sich darauf vor zu erklären, dass Jack die Hochzeitspapiere bei sich hatte, sollte die Duchess sie auffordern, die Papiere vorzuzeigen. Viele Dokumente waren nach dem Feuer zerstört worden.
„Ich verstehe“, sagte die Duchess. „In den letzten Monaten scheint Jack sogar noch geschäftiger als sonst gewesen zu sein. Wer seid Ihr, wenn ich fragen darf?“
„Temperance Challinor – Temperance Bow, meine ich.“ Sie errötete.
„Ihr sagt, Ihr habt einen Laden in Cheapside?“
„Ich hatte. Mein Vater hat ihn mir vererbt. Jetzt sind bloß Trümmer übrig.“
„Das tut mir leid“, sagte die Duchess, und ihre Stimme klang beinahe sanft. „Warum wartet Ihr nicht in London auf Jacks Rückkehr?“
Temperance starrte die Duchess an, und ihr wurde kalt, als sie begriff, dass die Neuigkeiten von Jacks Tod noch nicht bis Sussex vorgedrungen waren. „Ihr wisst es nicht?“, fragte sie.
„Was weiß ich nicht? Sagt es mir, Mädchen.“ Zum ersten Mal sprach die Duchess im Befehlston. „Was ist es, das ich nicht weiß?“
„Jack ist tot“, flüsterte Temperance.
„Was?“ Die Duchess erbleichte. „Nein!“ Sie umklammerte die Armlehnen ihres Stuhls und richtete sich halb auf, ehe sie wieder zurücksank. „Nein. Wie?“
„In einem Degengefecht.“ Tränen traten in Temperances Augen, als sie sah, wie die Duchess mit dieser schrecklichen Nachricht rang.
„Wann? Wo?“ Ein verzweifelter Blick traf Temperance.
„Ich weiß es nicht genau, es tut mir leid. Der Junge wusste keine Einzelheiten …“
„Der Junge?“
„In ‚Bundle’s Kaffeehaus‘.“ Temperance beschrieb ihren Besuch dort und das, was der Junge ihr erzählt hatte.
„Bundle sagte dem Jungen, Jack sei tot?“
Temperance nickte. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.
„Er sagte es dem Jungen und schickte keine Nachricht an mich?“ Die Stimme der Duchess klang gequält. „Wann habt Ihr London verlassen?“
„Vor zwei Tagen.“
„Vor zwei Tagen? Ein schnelles Pferd – mein Gott, was spielt das noch für eine Rolle?“ Die Duchess presste die Lippen zusammen und bedeckte das Gesicht mit den Händen.
Zögernd trat Temperance einen Schritt vor und kniete neben dem Stuhl nieder. „Es tut mir leid“, murmelte sie ein wenig unbeholfen. „Hätte ich gewusst, wie viel Kummer diese Nachricht Euch bereiten würde, hätte ich …“ Sie unterbrach sich.
Die Duchess hob den Kopf. „Seit zwei Tagen ist er tot“, flüsterte sie. „Warum habe ich nichts davon gespürt?“
„Nein, Madam.“ Temperance war verwirrt. „Da habe ich London verlassen. Bundles Junge erzählte mir im September davon.“
Die Duchess wirkte wie erstarrt, schien aber plötzlich wieder zu Kräften zu kommen. „Ihr habt von Jacks Tod im September erfahren?“
„Ja, Madam.“ Erschrocken wich Temperance zurück, als die Duchess aufsprang und eine Schublade an ihrem Sekretär öffnete.
„Jack hat diesen Brief am vierzehnten November geschrieben!“ Die Duchess drehte sich um, und ihre Augen glänzten vor Erleichterung. „Was sagt Ihr jetzt?“
„Er ist am Leben?“, flüsterte Temperance.
„Überzeugt Euch selbst!“ Die Duchess hielt ihr den Brief vor die Nase. „Vor einer Woche noch war mein Sohn am Leben und hat mir dies geschrieben.“
Temperance presste sich die Hände an die Wangen. Diese guten Nachrichten waren beinahe so schwer zu verkraften wie die Meldung von Jacks Tod. „Wirklich am Leben?“
„Ja. Seht – er hat das Datum darauf geschrieben. Der vierzehnte November. Da war er in Harwich, aber jetzt ist er unterwegs nach Hause.“ Die Duchess setzte sich, eine Woge aus Seide.
„Harwich? Warum …?“ Temperance begann zu lachen und zu weinen gleichzeitig, schwankte hin und her, während sie versuchte, die Nachricht zu verstehen, dass Jack nicht tot war.
„Was genau hat Bundles Junge Euch gesagt?“, fragte die Duchess.
„Was ich Euch sagte. Er glaubte an das, was er mir erzählte. Ich sah, wie sehr er trauerte. Deshalb habe ich diese Nachricht nie bezweifelt.“
„Aber hat Bundle daran geglaubt?“ Die Duchess runzelte die Stirn. „Wenn das so wäre, dann wäre er doch sicher zu mir gekommen, um es mir zu sagen? Das ergibt keinen Sinn.“
Temperance hörte der Duchess kaum zu, sondern starrte auf die geschnitzten Beine des Sekretärs, als sie endlich zu glauben begann, dass Jack wirklich am
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