Die Braut des Vagabunden
jetzt an erwartete, mit ihr das Bett zu teilen. Schließlich war das einer der eigentlichen Gründe gewesen, warum er sie hatte heiraten wollen.
Mit gerunzelter Stirn blickte er in die Dunkelheit und fragte sich, ob er übermäßig optimistisch war. Gehorsam, ohne Fragen zu stellen, gehörte nicht zu den Eigenschaften, die er mit seiner Tempest in Verbindung brachte. Er küsste ihre Stirn und schloss die Augen. Vor dem nächsten Gespräch mit seiner Gemahlin wollte er ausgeruht und voll konzentriert sein.
Als Temperance erwachte, war ihr so übel, dass sie stöhnte. Sie lag vollkommen reglos und wartete, bis dieser erste Anfall nachließ. Jack bewegte sich und berührte ihren Arm.
„Tempest, was ist?“
„Übel“, sagte sie, beinahe ohne die Lippen zu bewegen. „Nicht die Matratze erschüttern. Muss Brot aus dem Nähkasten haben. Jetzt gleich.“
Er schlüpfte unter den Tüchern hervor, und sie hörte, wie er barfuß um das Bett herumging. Sie öffnete die Augen und sah, dass er vor ihr hockte. Seine Miene drückte Besorgnis aus.
In der vergangenen Nacht hatte sie seinen kahl geschorenen Kopf gefühlt, aber als sie sich liebten, hatte sie vergessen, dass er sich das Haar geschnitten hatte. Jetzt sah sie ihn zum ersten Mal bei Tageslicht. Sein Haar war so kurz, kaum länger als die Bartstoppeln an seinem Kinn. Ohne seine Perücke und den Samt hatte seine Erscheinung nichts an sich, das die kantigen Konturen seines Gesichts mildern könnte. In der vergangenen Nacht hatte sie die Kraft in seinem sehnigen, muskulösen Körper gespürt. Jetzt konnte sie sie sehen. Er war so verlockend, dass sie – wäre ihr nicht so übel gewesen – die Hand ausgestreckt hätte, um ihn zu berühren.
„Neben meinem Bett steht der Nähkasten meiner Mutter. Da ist Brot“, stieß sie hervor. „Bitte bring es mir. Wenn ich etwas gegessen habe, geht es mir besser.“
Er stand auf und ging hinüber in ihr Gemach. Trotz der Übelkeit hob sie den Kopf, um die Kraft seines nackten Leibes zu bewundern. Als er mit dem Nähkasten zurückkam, war der Anblick noch reizvoller.
„Brot ist im oberen Kasten“, sagte sie.
Er öffnete die Box und fand den Brotkanten, eingewickelt in ein Stück Leinen. Er brach ein kleines Stück ab und reichte es ihr. Sie nahm es und versuchte, dabei den Rest ihres Körpers nicht zu bewegen.
„Du musst kein trockenes Brot essen“, sagte er und runzelte die Stirn, während er ihr zusah. „Ich bin sicher, dass es hier irgendwo etwas Appetitlicheres gibt …“
Sie schluckte und griff nach dem nächsten Stück. „Zuerst das hier“, sagte sie. „Es ist das Baby. Gleich werde ich mich besser fühlen – wenn ich etwas gegessen habe. Normalerweise fühle ich mich morgens nicht ganz so schlecht.“
„Es ist mein Fehler.“ Schuldbewusst sah er sie an. „Ich hätte nicht …“
„Nein“, unterbrach ihn Temperance. Seine Besorgnis war herzerwärmend und beruhigend, aber sie wollte nicht, dass er sich Vorwürfe machte. Wenn er das tat, dann beschloss er vielleicht, sie erst wieder zu lieben, nachdem das Baby geboren war. Bei all den Herausforderungen, die ihr neues Leben mit sich brachte, brauchte sie, so hatte sie festgestellt, die tröstliche Nähe seines Körpers neben ihrem in den dunklen Stunden der Nacht.
Sie holte tief Luft, ganz vorsichtig, und sah an ihm vorbei zum Fenster, wo das Tageslicht hereinfiel.
„Es ist später, als ich gewöhnlich aufstehe, nicht wahr?“, fragte sie.
„Ungefähr neun.“
„Daran liegt es. Normalerweise esse ich um sieben.“ Sie schloss die Augen und ruhte sich einen Moment lang aus. Sie hoffte, dass es ihr bald besser gehen würde. Es gefiel ihr, wie Jack sich um sie sorgte, dennoch fürchtete sie, dass er die Geduld verlieren konnte, sollte ihre Schwäche zu lange anhalten.
„Ich werde Mama rufen“, sagte er. „Sie wird am besten wissen, was zu tun ist.“
„Nein.“ Erschrocken öffnete Temperance die Augen. „Bitte sag es niemandem vor unserer zweiten Hochzeit.“
„Das wollte ich auch nicht, aber es geht dir so schlecht. Man muss doch etwas tun können …“
„Das hast du schon getan.“ Es gelang ihr, sich aufzusetzen, nur fiel ihr wieder ein, dass sie unter den Betttüchern nackt war. Sie zog das Tuch hoch bis zum Kinn. „Danke, dass du das Brot geholt hast.“
„Warum bewahrst du es im Nähkasten auf?“ Er hockte sich hin und musterte sie gründlich.
„Damit das Mädchen es nicht findet.“
Jack sah sie an und schüttelte
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